Die Verleger ("Schweizer Medien") beschäftigten sich am Kongress von Mitte September in Interlaken mit ihren drei Lieblingsgegnern: der Staat, die SRG und die Journalistenverbände. Es ging um die Presseförderung, um Videos der SRG und um die Regelung der Arbeitsverhältnisse. In allen drei Bereichen findet sich der Verlegerverband unter Druck – und argumentiert mit Widersprüchen. Von Philipp Cueni
Reden, Podien, chicer Rahmen und die Rede eines Bundesrates – das gehört zum festen Setting des Verlegerkongresses. Und auch die Gegner sind meistens die gleichen.
Presseförderung: Kein Engagement des Staates, aber bitte mehr Geld!
Die Chefredaktoren, teils im Verlegervorstand dabei, gaben sich an der Verlegerversammlung sehr selbstbewusst: "Wir möchten am Markt bestehen, und das müssen wir selbst leisten", sagt NZZ-Chefredaktor Markus Spillmann. Deshalb wolle man keine staatlichen Subventionen. Noch deutlicher war das neue Präsidiumsmitglied Markus Somm (BaZ): "Es geht den Staat nichts an, wie wir und ob wir gut arbeiten", der Bericht der Eidgenössischen Medienkommission (EMEK) sei eine Zumutung, da drohe eine "FINMA für die Medien", also eine Aufsicht Das war der allgemeine Tenor: Die Verleger wollen keine direkte Förderung durch den Staat und warnen, der Staat könne damit die Medienfreiheit beschränken. Allerdings schlägt die EMEK weder eine direkte Presseförderung vor noch irgendwelche Kontrollmechanismen – Eingriffsmöglichkeiten des Staates schon gar nicht. Aber die Verleger wehren sich dagegen, auch gegen die kritische Analyse der Mediensituation und letztlich gegen die neue Förderstrategie der EMEK. Und andere Vorschläge der EMEK werden vorschnell als "direkte Förderung" und deshalb als "Einmischung in die Pressefreiheit" abgetan – auch wenn es die Kommission klar anders formuliert.
Hart kritisieren die Verleger, dass die Posttaxenverbilligung, also die Subventionierung der Distribution, gemäss Vorschlag der EMEK abgeschafft werden soll. Die Verleger schlagen hingegen ein neues Modell der Vertriebsförderung vor, welches faktisch auf eine Erhöhung des Bundesbeitrages hinausläuft. Und spätestens hier beginnen die Widersprüche bei den Verlegern: die sogenannt indirekte Presseförderung, welche letztlich auch das Bundesbudget belastet und faktisch auf eine Subventionierung hinausläuft, ist eben doch willkommen.
Mit ihrer zwar nicht radikal durchgezogenen, aber radikal formulierten Marktposition sind die Verleger im Sandwich: sie beklagen den Einbruch des Geschäftsmodells, stellen einen Einbruch beim Lesermarkt fest, und hören, dass die Politik Gefahren für die Demokratieleistungen der Medien sieht. Die Vorschläge der Branchenvertreter in der EMEK sind aber unerwünscht. Und die eigenen Strategien der Verleger beschränken sich vorwiegend auf die Effizienzsteigerung und den Abbau.
Bauernschlaue Charmeoffensive gegenüber der SRG
Es war nicht zu überhören: Das Präsidium der Verleger bemühte sich, das Verhältnis zur SRG – anders als in früheren Jahren – als entspannt darzustellen. Man wolle kooperieren. Da passte es schlecht, dass das neue Präsidiumsmitglied Markus Somm in seiner Vorstellung vom "Kampf gegen die SRG" sprach. Das sei "absurd", kommentierte Präsidiumsmitglied Marc Walder. Im Gegenteil, man strebe eine neue Kooperation an. Allerdings entpuppte sich diese Vorstellung von Kooperation dann als eher einseitig: Die SRG solle die via Gebühren von der Öffentlichkeit bezahlten Videos den Verlagshäusern unentgeltlich zur Verfügung stellen, damit diese so von einer zusätzlichen Öffentlichkeit genutzt werden können. Die SRG wies in einer Medienerklärung zum "Angebot" der Verleger darauf hin, dass sie selbst diesen Vorschlag bereits im Juni gemacht habe. Soweit so gut. Widersprüchlich dabei ist aber, dass sich die Verleger vorbehalten, diese bereits bezahlten Videos dann selbst zu monetarisieren – sei es via Einbettung durch Werbung oder via Paywall. Den Vorschlag der SRG, diese Einnahmen zu teilen, lehnen die Verleger bisher rundwegs ab.
Auch hier stehen die Verleger unter Druck: Die Politik sagt, die Branche, also SRG und Verleger, soll sich möglichst selbst einigen. Die Verleger brauchen für ihre Onlineportale Videos, die sie am kostengünstigsten von der SRG beziehen können. Und sie erkennen, dass Kooperationen im kleinen Schweizer Markt wichtig sind. Aber dennoch versucht man die SRG an vielen Fronten zu behindern.
Immer wieder neue Gründe gegen einen GAV
Im neu von "Schweizer Presse" herausgegebenen Buch schreibt Norbert Neininger, Mitglied des Verleger-Präsidiums, von "einvernehmlichen, adäquaten Lösungen, die im Bereich der Sozialpartnerschaft gefunden werden müssen". Am Kongress ist die Sozialpartnerschaft mit den Journalistenverbänden aber gar kein Thema und in der Realität schon gar nicht.
Auch hier ist der Verlegerverband unter Druck: Die Journalistenverbände fordern für die Deutschschweiz einen GAV, der in der Romandie offenbar möglich ist. Und nach Klagen von Impressum und Syndicom prüfen aktuell die Arbeitsinspektorate, ob die Arbeitszeitenregelung den gesetzlichen Vorschriften entspreche. Aber weil Journalismus nicht in enge Arbeitszeitregelungen gepresst werden könne, sagt die neue Direktorin des Verlegerverbandes, müssten Branchenlösungen getroffen werden. Dazu würden auch die Verbände der Journalisten gehören – also auch mit diesen? "Ja natürlich", sagt die Direktorin. "Nein", sagt der Verlegerpräsident, mit den Verbänden sprechen wir nicht, weil die einen GAV wollen. Und Präsident Hanspeter Lebrument hat sich nach vielen anderen Begründungen in früheren Jahren ein neues Argument einfallen lassen: nicht verhandelt werde, weil Impressum keine Standesorganisation mehr sei, sondern eine Gewerkschaft. Was den Verlegerverband in der Romandie offenbar nicht daran gehindert hatte, mit Impressum einen GAV abzuschliessen.
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