Der Ständerat hat sich gegen den kostenlosen Zugang zu amtlichen Dokumenten ausgesprochen. Er ist auf eine entsprechende Gesetzesänderung des Nationalrats nicht eingetreten. Medienschaffende und Medienorganisationen sind empört.
Medienschaffende können nur durch die Einsicht in amtliche Dokumente ihre Aufgabe als vierte Gewalt wahrnehmen. In der Vergangenheit haben einzelne Verwaltungseinheiten jedoch exorbitante Gebühren für diese Einsicht verlangt. Dadurch wird die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten faktisch verhindert. Bereits bei niedrigen Gebühren verzichten sie oft auf den Zugang zu amtlichen Dokumenten. Vor allem für freie Journalistinnen und Journalisten bedeuten diese Beträge ein viel zu hohes Risiko, und selbst auf den Redaktionen fehlt das Geld dafür.
1000 Franken für ein 6-seitiges Dokument
In der Vergangenheit haben sich Redaktionen teils bis vor Bundesgericht gegen Gebührenbescheide der Verwaltung gewehrt. Dieses hielt 2013 auch fest, dass selbst eine geringe Gebühr von 100 oder 200 Franken abschreckend wirkt und Transparenz verhindert.
Seither habe sich die Umsetzungspraxis jedoch nicht verbessert, schreiben das Recherche-Netzwerk investigativ.ch und das Online-Forum Öffentlichkeitsgesetz.ch in einer gemeinsamen Mitteilung. So habe erst kürzlich das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs) einem Journalisten Gebühren in der Höhe von 1000 Franken für den Zugang zu einem 6-seitigen Dokument angekündigt. Die Vereinbarung mit einem IT-Lieferanten des Bundes hätte Fakten zur Lieferung mangelhafter Komponenten im Umfang von 325 Millionen Franken für das Sicherheitsfunknetz Polycom liefern können.
Der Ball liegt wieder beim Nationalrat
Trotzdem hat sich der Ständerat am 10. Juni 2021 gegen den kostenlosen Zugang zu amtlichen Dokumenten ausgesprochen. Er ist auf eine entsprechende Gesetzesänderung des Nationalrats nicht eingetreten. «So können die Medien ihre Funktion als vierte Gewalt im Staat nicht erfüllen», sagt Martin Stoll, Geschäftsführer von Öffentlichkeitsgesetz.ch. Es brauche einen transparenten Zugang zu Verwaltungsdokumenten: «Jetzt muss der Nationalrat dafür sorgen, dass die Idee des Öffentlichkeitsprinzips, der niederschwellige Zugang zu Verwaltungsdokumenten, nicht geschwächt wird und Medienschaffende ungehindert ihre Arbeit machen können.»
Medienorganisationen verlangen Änderung
Auch die Medienorganisationen kritisieren den Entscheid des Ständerates. So verlangt der Berufsverband impressum, dass das Parlament «für Journalistinnen und Journalisten die Rahmenbedingungen schafft, damit diese ihre Funktion als public watchdog wahrnehmen können». Das in der Schweiz geltende Öffentlichkeitsprinzip nütze nichts, wenn der Zugang zu relevanten Dokumenten durch hohe Gebühren faktisch verwehrt bleibe.
In einem offenen Brief an das Parlament hatten bereits im Mai über 600 Medienschaffende die Abschaffung dieser Gebühren verlangt. Unterstützt wird das Begehren von allen grossen Medienorganisationen der Schweiz, darunter die die Medienunternehmen SRG, Tamedia und Ringier, die Berufsverbände impressum, syndicom und SSM sowie der Verband Schweizer Medien (VSM).
Weitere Infos zum Thema:
Forum für Transparenz in der Verwaltung:
Öffentlichkeitsgesetz.ch
Schweizer Recherche-Netzwerk für JournalistInnen:
investigativ.ch
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