Tsüri.ch und die Zukunft des Journalismus
«Wir wollen die Debatte neu lancieren und zudem einem Publikum zugänglich machen, das sich nicht täglich mit den Medien rumschlägt. Sprich: Wir wollen aus der Branche raus und unsere Zielgruppe mitnehmen» – so beschreibt Chefredaktor und Geschäftsführer Simon Jacoby das Ziel des «Fokusmonats Journalismus» von Tsüri.ch. Bis Anfang Mai finden noch mehrere öffentliche Veranstaltungen statt.
Natürlich bildet die Ablehnung des Medienpakets in der Volksabstimmung Mitte Februar den Hintergrund. Auch Tsüri.ch hätte als Onlinemedium mit Member-Modell von der zusätzlichen Medienförderung profitieren können. Doch es geht im «Fokusmonat» nicht um Tsüri.ch, sondern um den Journalismus. Nächste Woche ist «Klimajournalismus und die Grenze zum Aktivismus» das Thema, später dann folgen Gleichstellung sowie Integration im Journalismus.
Zum Auftakt fand letzten Dienstag eine «Pitch-Night» statt. Sieben Personen hatten je sieben Minuten Zeit aus ihrer Sicht über den Journalismus und die Situation der Medien zu sprechen. Vertreten waren die Medienwissenschaft, 20 Minuten, Somedia, Presserat, NetzCourage, Syndicom und Junge Journalist*innen Schweiz (JJS). Und JJS-Vertreter Simon Schaffer sagte es am markantesten: «Es ist nicht der Job, der Journalismus, der scheisse ist, es sind die Arbeitsbedingungen und die Aussichten.»
Die Referent*innen haben an diesem Abend den Journalismus weder neu erfunden noch gerettet – aber sie haben einen Einblick in die Situation geboten, verständlich, vielfältig, und erst noch in angenehmer Kürze.
Vielleicht hätte die «Pitch-Night» vor der Abstimmung durch die Schweiz touren sollen.
Das Volk und die Information
2020, am Anfang der Pandemie stieg die Mediennutzung, mehr Leute informierten sich bei professionellen Medien. Es gab eine leise Hoffnung, dass Informationsmedien durch ihre Leistungen in dieser Zeit auch mittel- oder gar längerfristig mehr Aufmerksamkeit und Nutzung gewinnen könnten.
Leider kam es anders. Darauf weist die am 7. April erschienene Studie «Publikumsbefragung elektronische Medien 2021» hin. Diese Befragung gibt das Bakom jährlich in Auftrag, um herauszufinden, was das Schweizer Medienpublikum von der Leistung der privaten und der öffentlichen Radio- und Fernsehprogramme hält.
Positiv am Fazit der Studie für 2021 ist, dass die Medienbewertungen «auf hohem Niveau stabil» und die Zufriedenheitswerte «hoch» sind. Aber: Nutzung und Nutzungsprioritäten von Informationsmedien haben verglichen mit dem Vorjahr abgenommen. Es sei, so die Studie, eine «gewisse Informationsmüdigkeit» festzustellen.
Das ist ein Stück weit verständlich. Doch die Veränderung reicht weiter: Nicht nur im Vergleich zu 2020 wurden viel häufiger «reine Unterhaltungsziele» als Grund für das Einschalten von Radio und Fernsehen angegeben, sondern auch im Vergleich zu 2019, also zur Vor-Pandemie-Zeit.
Schlechte News für den Informationsjournalismus.
Die Ständeratskommission und ihr «Nein»
Der Präsident entschied die Abstimmung mittels Stichentscheids: Mit dem «Nein» von Hans Wicki (Nidwalden/FDP) erteilte die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF) des Ständerats am Dienstag ihrer nationalrätlichen Schwesterkommission äusserst knapp eine Abfuhr.
Die nationalrätliche KVF forderte nämlich nach der Abstimmungs-Niederlage des Medienpakets mit einer Kommissionsinitiative, die in der parlamentarischen Debatte unbestrittenen Teile sollten rasch in Kraft gesetzt werden, so etwa die Finanzierung von Aus- und Weiterbildung, Nachrichtenagenturen oder Presserat.
So kurz nach der Abstimmung sprächen «staatspolitische Gründe» dagegen, Teile des Medienpakets zu realisieren, fand jedoch die ständerätliche KVF. Und es solle der Bericht zu einem Postulat der grünliberalen Nationalrätin Katja Christ abgewartet werden – danach solle eine grössere «Auslegeordnung» stattfinden.
Christs Postulat fordert etwa, dass der Bundesrat in einem Bericht darlegt, welche Modelle der staatlichen Medienförderung die Schweizer Medien «nachhaltig in die Zukunft» führen, dass er dabei «ganz unterschiedliche Modelle» prüft, dem aktuellen Modell gegenüberstellt sowie Vor- und Nachteile aufzeigt. Das kann dauern.
Während also etwa der Presserat abklärt, welche Dienstleistung er «angesichts der derzeitigen finanziellen Lage noch anzubieten vermag», wartet die Mehrheit der ständerätlichen Medienkommission auf eine gutschweizerische «Auslegeordnung». Nume nid gschprängt.
Vielleicht sollte sie sich an einen Bach setzen, Tee trinken und schauen, was in der Zwischenzeit so alles bachab geht.
Bettina Büsser
Redaktorin EDITO
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