Nach der Pensionierung: going local
Journalistische Laufbahnen beginnen oft bei lokalen Medien – erste Artikel, dann vielleicht eine Anstellung, dann Wechsel zu einem regionalen oder überregionalen Medium. Den umgekehrten Weg geht das Ehepaar Barbara Lukesch* und René Staubli; die beiden haben Anfang November an ihrem langjährigen Wohnort Zollikon (ZH) mit «Zolliker News» ein lokales Online-Medium lanciert.
Lukesch ist seit 1990 freie Journalistin, unter anderem für das «Magazin», die «Weltwoche», «Facts» und «Annabelle». Staubli arbeitete als angestellter Journalist unter anderem bei der «Sonntags-Zeitung», der «Weltwoche» und beim «Tages-Anzeiger».
Sie sind jetzt pensioniert – und tun weiter das, was sie am liebsten tun: Schreiben. Anders als andere pensionierte Journalist*innen, die zum Beispiel auf Plattformen lange Texte über ihre Fachgebiete publizieren, halten sie sich dabei knapp. Es geht um Dorfpolitik, es gibt Kochtipps (Rubrik «Zollikon kocht») und Interviews (Rubrik: «Menschen»), ausserdem sind sie auf der Suche nach jungen Kolumnistinnen und Kolumnisten.
Ziel von zollikernews.ch sind Austausch und Vernetzung für den Ort Zollikon/Zollikerberg, so Lukesch. Es sei «unglaublich lehrreich» und mit viel Arbeit verbunden, ein eigenes Medium aufzubauen. Und gleichzeitig sehr lustvoll: «Wir haben unsere eigene journalistische Spielwiese.»
In Zollikon gibt es übrigens bereits eine Wochenzeitung: den «Zolliker-Zumiker-Boten». Was bedeutet die neue Konkurrenz für ihn? «Fragen Sie mich das in einem Jahr», sagt Herausgeberin Claudia Eberle-Fröhlich: «Aber Konkurrenz wirkt belebend, davon bin ich überzeugt. Und lokale Nachrichten interessieren, ob gedruckt oder online.»
*Transparenz-Hinweis: Die Autorin arbeitet in derselben Bürogemeinschaft wie Barbara Lukesch.
Tamedia-Zeitungen: Chiesas «alternative» Zahlen
SVP-Präsident Marco Chiesa gibt den Tamedia-Zeitungen ein Interview (alle verlinkten Beiträge hinter Paywall). «Problematisch ist, dass die Mainstream-Medien alle Kritiker in einen Topf werfen», sagt er – im Gespräch mit einem Medium, das «Kritiker» wohl als «Mainstream-Medium» bezeichnen würden.
Im durchaus kritisch geführten Interview macht er zwei Aussagen, die stutzen lassen: «Fakt ist aber, dass die Zahl der Betten in den Intensivstationen deutlich reduziert wurde. Zuerst waren es 1500, dann 1100, und jetzt sind es noch rund 850 Betten», und «Studien zeigen, dass bei Moderna der Impfschutz nach sieben Monaten bei null liegt».
Wie bitte? Die Tamedia-Zeitungen selbst haben solche Aussagen schon vor dem Interview widerlegt. Der Faktencheck zum Thema Abbau von Intensivbetten kam zum Schluss, dass sich die Zahl der Betten nicht verändert hat. Und in der Datenanalyse zur Impfwirkung hiess es, dass Moderna nach sechs Monaten «immerhin noch zu 60 Prozent vor einer Erkrankung» schützt.
Warum hat die Interviewerin, Tamedia-Inlandredaktorin Alessandra Paone, nicht widersprochen? «Um die Zahl der Intensivbetten ist ein Konflikt entbrannt, der noch nicht gelöst ist. Die Zahlen werden unterschiedlich interpretiert, und die SVP hat zu diesem Thema bekanntlich eine andere Auffassung als andere Parteien», sagt sie. Die Passage zu Moderna indes habe Chiesa erst beim Gegenlesen eingefügt, und: «Im Produktionsstress ging die Falschaussage in seiner Antwort unter. Das bedauere ich.»
Man habe Chiesa nach der Publikation damit konfrontiert, sagt Paone. Er habe seine Aussage relativiert, und: «Wir haben im Artikel ‹Booster für alle: Das müssen Sie wissen› einen Kasten zu Chiesas nachträglichen Präzisierungen gemacht, um den Leserinnen und Lesern eine Einordnung zu geben.»
Schade nur, dass der Kasten nicht auch zum Chiesa-Interview gestellt wurde.
Manipuliertes User-Voting: mehr Transparenz
Da hat er was ausgelöst: Urs Pfister, Geschäftsführer einer IT-Firma, hat auf seinem Blog maskenlos.ch (sic!) und dann auf «Inside Paradeplatz» sehr ausführlich und sehr, sehr technisch ausgeführt, wie er ein User-Voting auf SRF.ch zu Corona-Massnahmen manipuliert hat.
«Solche Votings können alle, die das wollen, beeinflussen», sagt ein erfahrener Programmierer auf Anfrage. Es brauche dafür die entsprechenden «Skills» – oder viele Leute, die zusammen über Stunden wieder und wieder die Umfrage ausfüllen, «oder du kannst dir für 5000 Franken ein Bot-System programmieren lassen».
SRF und andere Medien führen schon seit Jahren solche Votings durch. IT-Sicherheits-Profis wissen um die entsprechenden Risiken. Nun aber, nach Pfisters Artikel, hat SRF «alle eigenen User-Votings zu politischen Themen» gestoppt. Tamedia, die in Pfisters Artikel auch genannt wird, gab bekannt, man verzichte schon länger darauf, über die Resultate solcher «Polls» journalistisch zu berichten. Was SRF unlängst – ganz konkret über die manipulierte Umfrage – noch getan hat. Beide Medienhäuser wiesen überdies darauf hin, dass die repräsentativen Umfragen, die sie von renommierten Markt- und Meinungsforschungsinstituten durchführen lassen, nicht manipulierbar seien.
Das mag sein, reicht aber nicht. In so wirren Zeiten, in denen sogar im Zusammenhang mit der Abstimmung über das Cavid-19-Gesetz von möglichem Abstimmungsbetrug und manipulierten «Wahlmaschinen» geraunt wird, hilft nur eines: Transparenz. Und damit sehr, sehr genaue Angaben zur Art, wie Umfragen durchgeführt werden, und wo sie möglicherweise Schwachstellen haben.
Das gilt für alle Medien, und insbesondere für die, die im Februar auf ein «Ja» zur Medienförderung hoffen. Ohne das Vertrauen des Publikums und ohne Transparenz klappt das nicht.
Bettina Büsser
Redaktorin EDITO
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