Im Jahr 2016 werden medienpolitisch entscheidende Weichenstellungen vorgenommen. Dies in einem Parlament und einem Bundesrat, die neu und rechter als bis jetzt zusammengesetzt sind.
Von Philipp Cueni
Schon lange nicht mehr standen derart gewichtige Entscheide zur Medienpolitik an. Gefällt werden sie von einem neuen, einem rechteren Parlament. Etwa im Juni wird der Bundesrat seinen Bericht zum Service public publizieren – gestützt auf den Bericht der Eidgenössischen Medienkommission (EMEK), der Ende 2015 verabschiedet wird. Der Bundesrat wird Anträge stellen können, das Parlament kann dem Bundesrat Aufträge erteilen.
Zentral geht es dabei um den Auftrag an die SRG und damit auch um die Zukunft der SRG. Zur Medienförderung im Bereich der Marktmedien – die Verlagshäuser – hatte die EMEK bereits im letzten Jahr einen Bericht verabschiedet. Ihre Empfehlung, eine Medienförderung ins Auge zu fassen, welche die Gesamtheit der Medien erfasst, hatte der Bundesrat nicht aufgenommen.
Es geht dabei um die Frage, ob man die Versorgung der Demokratie mit Medien von hoher Qualität nur den Regeln des Marktes überlassen wolle oder ob im kleinen und vielsprachigen Markt Schweiz Fördermassnahmen durch den Staat angebracht wären. Entweder wird dieses Thema 2016 doch noch in die politische Agenda aufgenommen oder es wird für lange Zeit politisch erledigt sein. Medienförderung, Zukunft des Service public: Letztlich geht es um Entscheide zur Gestaltung der Medienordnung in der Schweiz.
Fehlende Lobby der Medienhäuser.
Diese beiden zentralen medienpolitischen Weichenstellungen werden von einem Parlament vorgenommen, welches erst neu gewählt worden und nach rechts gerutscht ist. Was kann man von ihm erwarten? Relativ einfach ist die Prognose zum Thema "allgemeine Medienförderung". Über die bisherige, indirekte Presseförderung hinaus wird es sehr schwierig werden, auf politischer Ebene Fördermassnahmen einzuleiten.
Die hauptsächlich Betroffenen, die Verlagshäuser, verlangen zwar bessere Rahmenbedingungen. Sie wehren sich aber vehement gegen eine direkte Medienförderung – auch wenn es um Modelle geht, welche die Unabhängigkeit vom Staat garantieren. Im Parlament war die Mehrheit gegen solche Fördermodelle schon immer recht breit. Das wird sich in der neuen Zusammensetzung eher noch akzentuieren.
Ein eigentlicher Paradigmenwechsel wäre nur denkbar, wenn sich die Marktmedien für neue Modelle offen zeigen würden. Und wenn das Parlament auf eine Medienförderung umschwenken würde, welche alle Medienanbieter einbeziehen soll. Ein solches Szenario ist kaum realistisch: Zu viele Politiker müssten ihre Vorbehalte gegenüber einer staatlichen Förderung im Marktbereich relativieren. Die Frage der medialen Versorgung der Demokratie steht dabei weniger im Zentrum.
Angriff auf den Service public
Bei den Entscheiden zur Zukunft des Service public bietet sich eine komplexere Situation. Möglich ist, dass die Volksinitiative "No Billag" im letzten Moment (Ablauf der Sammelfrist am 11. Dezember 2015) doch noch zustande kommt. Diese verlangt eine Aufhebung der Gebühren, was faktisch einer Aufhebung des Service public und damit der SRG entspricht. Kommt die Initiative zustande, wird zuerst das Parlament sie beraten. In einer Volksabstimmung wird die totale Abschaffung der SRG vermutlich keine Chance haben. Aber bei den parlamentarischen Entscheiden zum medialen Service public wird der Druck der Initiative spürbar sein.
Schon lange ist der Bericht des Bundesrates zum Service public angekündigt. Der Bundesrat wird, gestützt auf den Bericht der EMEK, voraussichtlich kommenden Juni die Definition des Service public neu fassen und er wird spätestens bei der Erneuerung der SRG-Konzession (2017) einen angepassten Auftrag an die SRG verabschieden.
Das Parlament kann dem Bundesrat Vorgaben machen, wie er den Auftrag an die SRG zu fassen habe. Das Parlament wird auch über eine ganze Reihe von Anträgen entscheiden, ob und wie der Auftrag der SRG beschnitten werden soll. Dafür sorgen Vorstösse von Parlamentariern der "Aktion Medienfreiheit". Diese Palette der Forderungen ist breit: Reduktion der Gebühreneinnahmen um bis zu 63 Prozent, Reduktion der Werbemöglichkeiten, Beschränkung der Aktivitäten im Internet.
Weitere Vorstösse zielen auf die Beschränkung der SRG-Unabhängigkeit: Das Parlament (bisher Bundesrat) solle für die Konzession zuständig sein und damit den Programmauftrag definieren können. Und die SRG solle in eine gemischtwirtschaftliche AG umgewandelt werden.
Bisher konnte die SRG im Parlament auf eine relativ sichere Unterstützung zählen – nicht zuletzt aus den Regionen der sprachlichen Minderheiten. Man muss bezweifeln, ob das so bleibt. Das "Nein" des Tessin zum RTVG motiviert die Parlamentarier aus der Südschweiz, gegen die SRG zu stimmen – auch wenn sie damit die mediale Versorgung des Tessins massiv schwächen. Und generell haben die SRG-kritischen Kräfte im Parlament Stimmen zugelegt, auch bei der CVP und der FDP.
Eine einfache Rechnung sieht im Nationalrat so aus: Der SVP-Block wird seine 68 Stimmen geschlossen gegen die SRG einsetzen. Von linksgrüner Seite sind der SRG 55 Stimmen quasi sicher. Das heisst, die SVP müsste von den restlichen 77 Stimmen 33 auf ihre Seite holen, um die SRG schwächen zu können. Und im Bundesrat könnte mit dem offiziellen SVP-Kandidaten Thomas Aeschi ein Mann einziehen, der "No Billag" unterstützt. Diese Initiative ist sogar SVPKollegin Natalie Rickli zu radikal.
Breite Front gegen SRG
Wie hoch sind also die Chancen der SRG-Gegner? Interessant ist, dass im Vorstand der Anti-SRG-Hardliner von "Aktion Medienfreiheit" neben Vertretern der SVP auch solche von FDP, CVP und GLP sitzen. Diese Aktion hat gerade in einem Manifest von 22 Seiten vorgestellt, wie sie die SRG einschränken will. Interessant auch, dass die CVP nicht nur sehr pointierte SRG-Gegner aufweist (Marco Romano, TI; Gerhard Pfister, ZG), sondern auch einen der profiliertesten SRG-Verteidiger (Martin Candinas, GR) und die Medienministerin stellt. In der FDP hatte die SRG zwar immer auch starken Rückhalt, einige Exponenten dieses Flügels sind aber nicht mehr im Parlament.
Neu dabei ist hingegen der Direktor des Gewerbeverbandes, der seinen Verband zu einer Kampforganisation gegen die SRG gemacht hat. Im 2016 entscheidet ein neues Parlament letztlich über die künftige Medienordnung der Schweiz.
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