Ein Preis, den niemand will: Seit vier Jahren zeichnet das Recherchenetzwerk investigativ.ch die grössten Informationsverhinderer mit dem Schmähpreis Goldener Bremsklotz aus.
Von Georg Humbel
«Wir würden Ihre Anfrage ja sehr gerne beantworten. Aber leider…». Wer in der Schweiz kritische Geschichten recherchiert, weiss, was es heisst, anzurennen und aufzulaufen. Pressestellen, PR-Berater und Behörden finden regelmässig einen Grund, warum es genau in diesem Fall gerade nicht möglich sei zu informieren. Meist sind die Absagen freundlich. Manchmal wird schamlos gelogen. Und gelegentlich wird es total absurd: «Wir helfen Ihnen ja gerne. Aber…». Dann folgt der freundliche Hinweis, dass die Bearbeitung dieses aufwändigen Einsichtsgesuches eine Gebührenrechnung von über 100 000 Franken zur Folge haben könnte.
Den Spiess umdrehen
Meist bleibt dem Journalisten nach einer solchen Antwort nur der Frust, die Faust im Sack oder der Gang vor Gericht. Das will das Schweizer Recherchenetzwerk investigativ.ch ändern. Deshalb haben wir vor vier Jahren den Schmähpreis für Informationsverhinderung, den Goldenen Bremsklotz ins Leben gerufen. Wir wollen damit all den Einzelkämpfern in den Redaktionsstuben eine Stimme geben. Und besonders stossende Fälle von Informationsverhinderung öffentlichkeitswirksam zum Thema machen. Wer mauert und verhindert, soll sich erklären müssen.
Die Verwaltung spielt auf Zeit
Seit vier Jahren rufen wir die Schweizer Journalistinnen und Journalisten auf, uns Fälle zu melden. Das grosse Echo zeigt, dass es diesen Preis tatsächlich braucht. Viele Fälle sind einigermassen unspektakulär. Die Verwaltung spielt auf Zeit. Hofft, dass Anfragen schlicht und einfach versanden, wenn man sie ablehnt. Gerade bei aktuellen Recherchen mit grossem Zeitdruck ist das die banalste und leider auch effizienteste Taktik, Informationen unter dem Deckel zu halten.
Absurd hohe Gebühren
Dann gibt es auch Fälle, die herausstechen, weil sie besonders dreist sind. Zum Beispiel die Wirtschaftskammer Baselland, die kritische Journalisten persönlich angriff und diffamierte. Oder das Bundesamt für Landwirtschaft, das dem «Beobachter» für eine Anfrage Gebühren von 275 000 Franken in Aussicht stellte. Dafür hat das Amt 2014 den allerersten Goldenen Bremsklotz erhalten.
Diesen Mai ging der Goldene Bremsklotz 2017 an das Bundesstrafgericht in Bellinzona. Das Gericht hat einen Journalisten aus der Romandie wegen Wahlfälschung verurteilt. Dieser hatte mit einem Selbstversuch aufgezeigt, dass es im Kanton Genf möglich ist, doppelt abzustimmen. Mit seiner Recherche konnte er eine gravierende Sicherheitslücke aufdecken. Trotzdem hat ihn das Bundesstrafgericht für seine doppelte Stimmabgabe wegen Wahlfälschung verurteilt. Auch das kann Informationsverhinderung sein: Wenn die Justiz eine Recherchemethode kriminalisiert.
Debatten lancieren
Dem Vorstand von investigativ.ch ist wichtig, mit dem Bremsklotz Recherchehindernisse und ihre Folgen aufzuzeigen. Zwei der vier bisherigen Preisträger haben ihren Bremsklotz an der Generalversammlung von investigativ.ch persönlich entgegengenommen und sich den kritischen Fragen gestellt. Es waren angeregte und teilweise hitzige Debatten. Die aber zum gegenseitigen Verständnis beigetragen haben. Und genau das will das Recherche-Netzwerk mit dem Preis erreichen: Informationsverhinderung zum Gegenstand der Debatte machen.
Autor:
Georg Humbel ist Vorstandsmitglied von investigativ.ch. Das Recherchenetzwerk setzt sich für gute Recherchebedingungen und faktenbasierten Journalismus in der Schweiz ein. Fälle von Informationsverhinderung melden:kontakt(a)investigativ.ch. Oder selber Mitglied werden: www.investigativ.ch
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