Kommentar zu einem Porträt über eine Regierungsrätin in der "Basler Zeitung". Von Philipp Cueni
"Vielleicht deshalb dichtet man den beiden (gemeint sind Regierungsrätin Eva Herzog und Regierungsrat Christoph Brutschin; phc) immer wieder einmal eine Affäre an." Oder: "Hat sie (gemeint ist Regierungsrätin Eva Herzog; phc) mal im Bett mit einer lesbischen Freundin gekifft?" Das sind zwei Sätze des BaZ-Journalisten Michael Bahnerth in einem ganzseitigen Portrait über die Basler Regierungsrätin Eva Herzog. Und es geht weiter in diesem Stil den ganzen Text entlang. Keine Reflexion zur Finanzpolitik der Finanzministerin, nichts zur Amtsführung. Dafür arbeitet Bahnerth mit Gerüchten, Fantasien und Unterstellungen zur Person Eva Herzog.
Dieser Text ist nicht irgend ein Ärgernis, nicht irgend ein heikler Text. Er ist unter dem Aspekt"Fairness" für Schweizer Verhältnisse ein massiver Ausreisser nach unten. Daran wollen wir uns nicht gewöhnen – und deshalb reicht es nicht, den Artikel entsetzt ins Altpapier zu werfen.
Die Regierungsrätin Herzog trennt ihr Privatleben strikt von ihren öffentlichen Funktionen. Deshalb ist sie offen für Fragen zur Politik, hat aber eine Anfrage von Bahnerth für ein Gespräch über sie als Person abgelehnt. Das ist ihr sehr gutes Recht. Der Text zielt jetzt einzig auf die Privatperson. Damit hat der Journalist einen massiven Einbruch in die Privatsphäre verübt. Der Text verletzt die Privatperson in einem Bereich, der mit deren öffentlichem Amt nichts zu tun hat.
Der Bahnerth-Text ist zudem zutiefst sexistisch. Beim Angriff auf eine in der Öffentlichkeit exponierte Frau werden wieder einmal jene Register gezogen, die man nur gegenüber einer Frau bemüht: mit Anspielungen auf die sexuelle Ebene, mit dem Überbetonen von Äusserlichkeiten ("rote Haare"), mit Bezug zu Cliché-Rollenbildern: "sündiger Hüftschwung", "kleine Prinzessin".
Das Zielen auf die Person, der Einbruch in den Privatbereich passt nicht zur Basler Politik-Kultur. Es verhöhnt zudem das, was die Bürger an seriöser Information und politischer Aufklärung der Medien erwarten. Und es schreckt Interessierte ab, sich in der Politik zu exponieren. Vor allem verletzt es einen Menschen. Ein Text wie jener von Bahnerth beschädigt aber auch den Journalismus.
Gerade beobachten wir in England, was ein schrankenloser und menschenverachtender Journalismus alles bewirken kann. Die Übergriffe einzelner Medien waren derart krass, dass sogar der Premierminister eingegriffen hat. Das Resultat: Das Publikum wendet sich angewidert vom Journalismus ab, die Medien verlieren an Glaubwürdigkeit. Und das schadet der Demokratie – dem Journalismus und den Medien sowieso. Wollen wir eine solche Entwicklung verhindern, dann dürfen wir uns nicht an journalistische Übergriffe gewöhnen, dann dürfen uns Texte wie jener von Bahnerth nicht gleichgültig bleiben. Denn es geht hier nicht um eine falsch verstandene Meinungs- und Pressefreiheit, sondern um das Recht auf persönliche Integrität, um die Werte einer politischen Kultur und um Prinzipien eines fairen Journalismus.
Ein Portrait von einer Seite rutscht nicht aus Versehen ins Blatt. Offenbar ist ein Text wie jener von Bahnerth in der BaZ akzeptiert. Wo bleibt da der Aufschrei jener Redaktionskollegen, welche sich einem seriösen Journalismus verpflichtet fühlen?
Wo muss der Journalismus hartnäckig recherchieren und hinter die Kulissen blicken und wo muss er trotzdem die Privat- und Intimsphäre wahren? Was sind die Regeln eines fairen Journalismus? Eine Debatte über Aufgaben und Grenzen des Journalismus scheint mir angebracht. Eine Distanzierung der "Basler Zeitung" von ihrem eigenen Text ebenfalls.
Das Thema darf aber nicht Medienleuten und Politikern überlassen werden. Die Bürgerinnen und Leser sollen eingreifen, wenn Journalismus unfair wird und der Persönlichkeitsschutz auf dem Spiel steht.
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