Boris Busslinger ist Korrespondent für die Tageszeitung Le Temps in Zürich.
Ich wurde gebeten, einen kurzen Text zum Thema «Röstigraben» zu schreiben. Das Ziel war, wenn ich es richtig verstanden habe, mich als Korrespondent in der Deutschschweiz für Le Temps elegant zu den Unterschieden zwischen Deutschschweizern und Romands zu äussern. Kontext: die letzte AHV-Abstimmung. Problem: Wieso sind wir so unähnlich, gopf! Eine politische Analyse scheint nötig.
Ich muss euch warnen, ich werde diese Gelegenheit für etwas anderes nutzen. Zumindest für etwas, das ein wenig soziologischer ist. Ich erkläre mich. Ich wohne seit einem Jahr in Zürich. Und seit einem Jahr fragen mich meine Kollegen aus der Romandie, «wie es dort so ist». Als ob ich auf den Salomon-Inseln wohnen würde. Ich sage es deshalb jetzt ein für allemal: Es ist dasselbe. Dasselbe in dem Sinne, dass, wie bei uns, viele Leute «dort», also in der Deutschschweiz, keine Ahnung haben von unserem «hier», der französischsprachigen Schweiz.
«Wir haben auf gleiche Weise nur wenig Ahnung voneinander.»
Ein Zürcher Regierungsrat hat mir einmal begeistert erzählt, er liebe «den guten Wein und die Sonne» in der Romandie – mit einem Augenzwinkern. Ich wurde schon tausendmal als «der Franzose» bezeichnet, und umgekehrt fragte mich kürzlich eine Zürcherin in einem Café, was das denn für eine interessante Sprache sei, die ich da rede. Französisch, antwortete ich. «Arrivederci», verkündete sie.
In der französischsprachigen Schweiz ist die Stimmung ähnlich. Im Radio nehmen unsere Komiker Ueli Maurer als Beispiel für den typischen Einwohner der Deutschschweiz. Sie mimen ihn gerne mit einem geschrienen «NEIN, NEIN, NEIN!» wie Hitler im Film «Der Untergang». Die Deutschschweizer sagen ja halt immer Nein und sprechen Deutsch. Und die Romands waren zwar schon x-mal in Paris, aber noch nie in Zürich. Deutsch? «Ich wolle nicht.»
Natürlich gibt es politische, kulturelle und sprachliche Unterschiede auf beiden Seiten des Röstigrabens. Wir stimmen nicht (immer) auf die gleiche Weise ab. Obwohl ich den Stadt-Land-Graben für wichtiger halte. Aber ich kann Sie trösten: Wir haben auf gleiche Weise nur wenig Ahnung voneinander.
Nehmen Sie Rösti mit, wir haben Wein!
Antonio Fumagalli: Wenig kulinarisches Feingespür
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