«Brief an …» – 06.09.2016

«Brief an …» Natalie Rickli

Sehr geehrte Frau Rickli

Sie wollen also quasi aus medienpolitischen Gründen aus der Römisch-Katholischen Kirche austreten und haben dies der Welt in einem offenen Brief bekanntgegeben. Und dies, obwohl Sie «seit meiner Taufe vor 39 Jahren römisch-katholischer Konfession» sind.

Schuld daran ist Charles Martig, Direktor des Katholischen Medienzentrums in Zürich. Er hat in einem Blogbeitrag zur Service-public-Debatte moniert, dass ausgerechnet Sie die Nationalratskommission für Verkehr und Fernmeldewesen präsidieren, denn: «Mit der Interessenbildung an ein privates Medienunternehmen kann sie als zerstörerische Kraft gegen die öffentlich-rechtlichen Medien verstanden werden.»

Martig schreibt über sich, er sei «derzeit auf einer ‚Service-public-Mission‘. So wie Nathalie Rickli auf einer Mission zur Zerstörung dieses Service public ist». Er argumentiert u.a. theologisch für den medialen und kirchlichen Service public: «Die katholische Soziallehre wendet sich entschieden gegen die ökonomistische Vorstellung vom Menschen, der nur noch den Prinzipien der Gewinnmaximierung und der Effizienz unterworfen wird. Menschen sind nicht identisch mit Konsumenten.»

Doch auch Sie, Frau Rickli, können theologisch: «Als Theologe müsste Herr Martig eigentlich besser als ich wissen, dass das Subsidiaritätsprinzip ein zentraler Wert in der katholischen Soziallehre ist», schreiben Sie in Ihrem Offenen Brief an die Römisch-Katholische Kirche, und: «Die Enzyklika ‚Quadragesimo Anno‘ von Papst Pius XI. zeigt klar: Gerade aus katholischer Sicht ist es wichtig, dass Verantwortung auf allen Stufen wahrgenommen werden kann – und nicht etwa zentralstaatlich monopolisiert wird.»

Leider fehlen uns die Kenntnisse, um einer theologischen Diskussion auf diesem Niveau richtig folgen zu können. Wir können also nur fasziniert feststellen, dass die Theologie irgendwie etwas zum Service public zu sagen hat, und dass es offenbar sogar eine Enzyklika zum Primat der privaten Medien gibt. Und fragen uns scheu: Was meint der Herrgott eigentlich sonst noch zum Schweizer Medienwesen? Gibt er eher «Bauer, ledig, sucht …» oder dem «Echo der Zeit» seinen Segen?

Dass Sie aber, geehrte Frau Rickli, aufgrund von Martigs Kolumne gleich aus der Kirche austreten wollen – «Eine katholische Organisation, welche unter dem Titel einer kirchlichen Mission Andersdenkende ausgrenzt und verunglimpft, entspricht nicht meinem Verständnis des Christentums», schreiben Sie – klingt in unseren Ohren etwas nach «Auge um Auge, Zahn um Zahn». Deshalb möchten wir Sie, trotz unseres beschränkten theologischen Wissens, auf Römer 12:19 hinweisen: «Rächet euch selber nicht, meine Liebsten, sondern gebet Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben: ‚Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der HERR‘», heisst es da.

Wie auch immer Sie entscheiden: Die Medien werden darüber berichten. Denn natürlich haben sie Ihre Kirchenaustritts-Geschichte aufgenommen, u.a. der Blick, die Aargauer Zeitung oder persoenlich.com und sogar die «People-News vom Wochenende» der Schweizer Illustrierten. Und in Online-Kommentaren und Sozialen Medien wird heftig diskutiert, pro und kontra Kirche, pro und kontra Rickli, pro und kontra Martig. @SchaerWords, Markus Schär, «Weltwoche»-Journalist, twitterte sogar: «Die katholische Kirche beschäftigt einen Hassprediger als Medienmann.» Das wiederum hat @gerhardpfister, CVP-Präsident Gerhard Pfister, retweetet, man fragt sich, warum, aber das ist Nebensache.

Hauptsache, es gibt Aufmerksamkeit. Das gilt für die Kirche – @zhkath, die Katholische Kirche Zürich, twitterte: «Der Beweis: @NatalieRickli liest den Blog von @drcharlesmartig» -, das gilt aber natürlich auch für Sie, geehrte Frau Rickli. Schliesslich gehört Vermarkten ja zu Ihrem Kerngeschäft.

Wir lehnen uns in der Zwischenzeit zurück, verfolgen Kommentare und Positionen, knabbern, mangels Oblaten, etwas Popcorn und sind, freundlich grüssend, gespannt auf die Weiterungen.

EDITO

(Bettina Büsser)

Bettina Büsser

Redaktorin EDITO

5 Kommentare

#1

Von Thomas Markus Meier
07.09.2016
Süffig geschrieben. Nur ein Oblatenkrümel belibt im Hals stecken: Der meist missverstandende Bibelvers von wegen "Auge um Auge". Ursprünglich ein positives Gebot zur Verhältnismässigkeit, wird noch und noch als Vergeltungssatz diffamiert. Manchmal wär halt ein bischen mehr Verständnis von Theologie schmackhaft...

#2

Von Nikolaus Popp
07.09.2016
Die wirkliche Pointe ist doch, dass Frau Rickli gar nicht aus der römisch-katholischen Kirche austritt, sondern eben nur aus den Körperschaften. Denn das duale System hat sich einfach überlebt. Noch verrückter wird es, dass dieser Austritt aus den Körperschaften gerade auf das Konto des PR Manns - nämlich Dr. Martig - geht. Ein PR Mann, der die Leute verscheucht ist Knüller!

#3

Von Georges Scherrer
08.09.2016
Es wäre schön, wenn dieser Kommentar mit den Autorennamen versehen wäre. Die Person scheint nicht hinter ihren Aussagen stehen zu wollen.

#4

Von bbuesser
08.09.2016
Sehr geehrter Herr Scherrer, die Person steht durchaus mit ihrem Namen hinter ihren Aussagen: Der "Brief an" ist in meinem Blog ("Briefe, Fundsachen u.a.m.") veröffentlicht worden, und dieser Blog ist auch mit meinem Namen (Bettina Büsser) versehen. Freundliche Grüsse, Bettina Büsser

#5

Von Nina Scheu
08.09.2016
Liebe Bettina, liebes Edito
Das Problem ist, dass man über den Facebook/Twitter-Link, der momentan durch die Sozialen Medien rauscht, die Autorenschaft eben nicht grad sieht, sondern sich allenfalls zur Edito-Blog-Einstiegsseite zurückklicken müsste. Etwas unglücklich, aber vielleicht technisch besser lösbar? So für zukünftige Gelegenheiten. Laut aktuellen Studien findet die Mehrzahl der UserInnen ja eben nicht mehr via Einstiegsseiten zu den Artikeln, sondern über Direktlinks wie diesen hier. - Trotzdem natürlich: Schöner Beitrag zu einer absurden Medien- bzw. riklischen PR-Posse.

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