Bei NZZ Regionalmedien und AZ Medien, die neu zur CH Media fusioniert wurden, bleibt wohl kein Stein auf dem anderen. Ein grosser Stellenabbau ist angekündigt. Als erstes hat es die Sonntagszeitungen und die elektronischen Medien getroffen. Gleichzeitig ist nun zumindest ein Sozialplan in Kraft.
Von Bettina Büsser
200 von 1900 Vollzeitstellen weg – das ist die Konsequenz von CH Media, des neuen Joint Ventures zwischen NZZ Regionalmedien und AZ Medien. Das so entstandene drittgrösste private Medienhaus der Schweiz will seine Kosten innerhalb der nächsten zwei Jahre um zehn Prozent, also um 45 Millionen Franken senken.
Langjährige Bundeshausjournalistin Eva Novak entlassen
Erste Entscheide, die zu Entlassungen führen, wurden gefällt. CH Media, so wurde am 27. März bekanntgegeben, organisiert den Bereich Radio, TV und Filmvertrieb neu – Standort für alle ist nun Zürich Oerlikon – und entlässt acht Mitarbeitende. Eine Woche vorher hat CH Media festgelegt, wie künftig der Sonntag bespielt wird. Heute hat die AZ eine samstägliche Wochenendzeitung («Schweiz am Wochenende»), in der Zentralschweiz erscheint am Sonntag die «Zentralschweiz am Sonntag» in Print, während in der Ostschweiz die ausschliesslich digitale «Ostschweiz am Sonntag» herauskommt. Ab Ende Juni nun wird es keine CH-Media-Sonntagszeitung mehr geben; die Abonnentinnen und Abonnenten erhalten künftig alle samstags regionalisierte Ausgaben der «Schweiz am Wochenende».
Konsequenz dieser Vereinheitlichung: Rund zehn Vollzeitstellen werden abgebaut, davon fünf in der Ostschweiz. Betroffen vom Stellenabbau ist etwa die Bundeshausjournalistin Eva Novak. Sie hat fast 20 Jahre lang im Bundeshaus gearbeitet, zuerst für die «Neue Luzerner Zeitung» und ihre Regionalausgaben, danach auch für die «Zentralschweiz am Sonntag» und die «Ostschweiz am Sonntag». Ihr wurde auf Ende Juni gekündigt.
Demnächst steht ein weiterer Entscheid an: Die CH-Media-Tageszeitungen* brauchen künftig ein gemeinsames Layout, entweder eines, das bereits existiert oder ein neues. Beim Layout wie bei der Streichung der Sonntagszeitungen wird die Treue des Publikums auf die Probe gestellt. Denn je nachdem, wie stark sich «seine» Zeitung verändert, wird es sich ärgern. Und vielleicht sein Abonnement kündigen.
Zuerst einmal eine PeKo aus dem Boden gestampft
Dass CH Media so viele Stellen abbaut, wurde im November bekannt. Seither wurde an einem Sozialplan gearbeitet; er steht nun und ist unterzeichnet. Doch bis es dazu kam, musste zuerst einmal eine unternehmensweite Personalkommission (PeKo) gegründet werden; schliesslich war das Joint Venture erst am 1. Oktober in Kraft getreten. Bei den AZ Medien existierte bereits eine PeKo, nicht aber bei den NZZ Regionalmedien.
«Wir haben die PeKo im November eingerichtet», sagt Rainer Sommerhalder, PeKo-Präsident und AZ-Sportredaktor: «Danach haben wir eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt, um eine Basis für die Verhandlungen über den Sozialplan zu haben.» Die PeKo tagte im Zweiwochentakt, eine Dreierdelegation führte fünf Verhandlungsrunden mit der Delegation der Unternehmensleitung. «Konstruktive Gespräche» seien es gewesen, sagt Sommerhalder, man sei dabei von Syndicom und Impressum beraten und unterstützt worden.
«Recht gut, aber nicht sehr gut»
«Das Resultat der Verhandlungen liegt im mittleren Bereich. Im Quervergleich ist es nicht der bestmögliche Sozialplan, aber es ist das Beste, was wir in diesem Fall erreichen konnten», kommentiert Impressum-Zentralsekretär Michael Burkard das Ergebnis. Ähnlich die Beurteilung von Stephanie Vonarburg, Leiterin Sektor Medien bei Syndicom: Der Sozialplan sei «im globalen Vergleich recht gut, aber nicht sehr gut», sagt sie: «Die Peko-Delegation konnte einige relevante Punkte verbessern, insbesondere die Abgangsentschädigungen für langjährige Mitarbeitende, die Leistungen für die vorzeitigen Pensionierungen und eine paritätische Kommission bei Umsetzungsproblemen.»
Allerdings seien etwa bei der SDA und der NZZ in wesentlichen Punkten wie Abgangsentschädigungen und vorzeitige Pensionierungen materiell bessere Sozialpläne verhandelt worden: «Dahinter standen aber im Betrieb breit abgestützte Mobilisierungen der Belegschaft, die die Unternehmensleitung zu Zugeständnissen bewegten.»
Der Sozialplan für diejenigen, die CH Media entlassen wird, ist erst ein Anfang. «Nun müssen wir für die 2000 Mitarbeitenden schauen, die weiterhin bei CH Media arbeiten werden», sagt Sommerhalder. Denn auch ihnen steht viel Unruhe bevor. Bei den beiden zusammengeführten Medienunternehmen, die insgesamt über 80 Medienmarken an 25 Standorten ins Joint-Venture eingebracht haben, wird sich alles verändern. Möglicherweise werden Produkte eingestellt. Und alles wird neu organisiert, zusammengelegt – von Pensionskassen über Redaktionen, IT-Lösungen, Verlags- und Werbeorganisationen bis hin zu Druckereien. Das entsprechende «Integrationsprogramm» von CH Media heisst «Kolumbus» und umfasst 40 Projekte und 100 Teilprojekte.
Zentralredaktion in Aarau – Probleme für St. Gallen
Eines davon ist die Einrichtung einer zentralen Mantelredaktion. Bereits heute gibt es Leser, die dort bei manchen Themen den Bezug zu ihrer Region vermissen. Dies obwohl die aktuelle Zentralredaktion unter CH-Media-Chefredaktor Patrik Müller laut Unternehmenssprecherin Monica Stephani den ersten Bund «in Absprache mit den Chefredaktoren der Zeitungsgruppen in der Ost-, Zentral-, Nordwestschweiz und Basel» produziert.
Auf Mitte Jahr soll dann die definitive Zentralredaktion eingerichtet werden. «Wir wissen bisher nicht, wie gross sie sein wird», so Sommerhalder, «ebenso wenig, wie gross die Teams in den Regionalredaktionen sein werden.» Fest steht, dass sie ihren Standort in Aarau haben wird. Dieser Entscheid hat vor allem die Mitarbeitenden in der Ostschweiz aufgeschreckt; Aarau liegt nicht eben in Pendeldistanz von St. Gallen. Deshalb haben sie sich in einem Brief an die Unternehmensleitung gewandt.
Auch die Luzerner Regierung hat in einem Brief Bedenken angemeldet, dass der Kanton Luzern zu kurz komme. CH Media hält indes an ihrem Standortentscheid fest. «Es muss möglich sein, dass Leute aus St. Gallen und Luzern in der Zentralredaktion arbeiten», sagt Sommerhalder. Deshalb gehe es nun darum, Arbeitsmodelle zu finden, die dies erlaubten, «Home-Office-Arbeit zum Beispiel, oder dass die Zugfahrt bereits als Arbeitszeit gilt».
Droht eine Entlassungswelle auf Mitte Jahr?
Wie die Mitarbeitenden von CH Media wüsste auch EDITO gerne, wie die Mitglieder der künftigen Zentralredaktion in Aarau ausgelesen werden. «Über interne Verfahren werden keine Angaben gemacht», lautet das Statement von Monica Stephani, Leiterin Unternehmenskommunikation CH Media, dazu. «Keine Angaben» gibt es auch auf die Frage, was mit den Mitarbeitenden der überregionalen Ressorts geschieht, die keinen Platz in der Zentralredaktion finden oder finden wollen. Verlieren sie ihre Stelle? Droht also auf Mitte Jahr eine Welle von Entlassungen? «Grundsätzlich ist es Ziel, Kündigungswellen zu vermeiden. Dort, wo es zu Kündigungen kommt, werden die Mitarbeitenden zuerst informiert», antwortet Stephani.
Wie viele Kündigungen es am Ende der zweijährigen «Kolumbus»-Phase sein werden, kann heute niemand sagen. «Das Unternehmen hat zu Beginn versprochen, den Abbau über mindestens zwei Jahre zu staffeln», so Stephanie Vonarburg: «Diese Zeit soll genutzt werden, damit über natürliche Abgänge Entlassungen vermieden werden können.» Laut Rainer Sommerhalder sind bereits jetzt mehr als zehn Prozent der 200 Stellen, die gestrichen werden, durch natürliche Abgänge abgedeckt: «Ich hoffe, dass es am Schluss eine tiefe dreistellige oder sogar eine zweistellige Zahl von Entlassungen geben wird.»
*Acht Regionalausgaben der «az Nordwestschweiz», fünf Regionalausgaben der «Luzerner Zeitung» sowie acht Regionalausgaben des «St. Galler Tagblatts».
Dieser Text ist eine aktualisierte Version des Artikels «CH Media: Die Ruhe vor dem Sturm», der in Edito 1/2019 erschienen ist.
Bettina Büsser
Redaktorin EDITO
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04.04.2019