SVP-Internetfernsehen in den Kantonen und die Parteizeitung in Grossauflagen. Darüber berichtete eben die NZZ. Die SVP ist medienpolitisch aktiv wie keine andere Partei. Das politische Ziel: mehr Einfluss. Von Robert Ruoff
Am 9. März 2013 führte die Schweizerische Volkspartei (SVP) in ihrem "Haus der Freiheit" im Toggenburg ein Zukunftsseminar durch. Initiant: SVP-Präsident Toni Brunner persönlich. Zielgruppe: Junge SVPler und Sympathisanten zwischen 16 und 36 Jahren. Thema: Wie die SVP in den Medien mehr und besser zur Geltung kommen kann. Hauptreferent: Rolf Bollmann, zurzeit CEO der "Basler Zeitung" (BaZ), vorher bei der Tamedia als Mitglied der Geschäftsleitung. Bollmann wurde vorgestellt als Mitgründer der Gratiszeitung "20 Minuten". Das war auch das Thema seines Referats.
EDITO+KLARTEXT hat sich angemeldet und wurde vom SVP-Generalsekretariat problemlos akkreditiert. Freudige Überraschung ob so viel Offenheit. Die Ernüchterung folgte am Tag danach: Toni Brunner liess ausrichten, das Seminar solle ohne Medienöffentlichkeit stattfinden, und wir sollten "es nicht persönlich nehmen".
Investition in eine eigene Zeitung. EDITO+KLARTEXT blieb dran. Im telefonischen Gespräch, drei Wochen später, beantwortet der Präsident die Frage, ob die SVP nun eine Gratiszeitung lancieren werde – eine alte Idee von Christoph Blocher –, mit einer sehr offenen Antwort: "Wir haben viele verschiedene Varianten angedacht."
Und dann im Klartext: "Wir investieren lieber in eigene Produkte als für politische Inserate in Zeitungen, in denen man jeden zweiten Tag auf die SVP eindrischt." Das heisst, das Geld geht gegenwärtig in Zeitungen wie das "ExtraBlatt", das die SVP direkt in die Haushalte schickt. Das ist "effizienter und billiger" und übt bewusst auch ein bisschen wirtschaftlichen Druck aus auf die Verlagshäuser. Brunner: "Eine Konsequenz aus der Art, wie wir in den letzten Jahren behandelt wurden."
Druck auf Verlagshäuser. Toni Brunner vermittelt den Eindruck, "SVP-Bashing" sei ein Lieblingssport der Schweizer Medien, und er gibt seiner Enttäuschung über unzuverlässige Blätter offenen Ausdruck. Die "NZZ" ist "nicht mehr die unverzichtbare liberale Stimme" und "hat immer noch diese unseligen Bestimmungen, dass nicht Aktionär werden kann, wer nicht das FDP-Parteibuch vorzuweisen hat". Damit unterstützt der SVP-Präsident den Antrag der "IG Freunde der NZZ", auch Aktionäre ins Register eintragen zu lassen, die "unabhängig von der Parteizugehörigkeit … eine liberale und unternehmerische Gesinnung bestätigen".
Damit könnte die Interessengemeinschaft der "Freunde" die NZZ auch öffnen für neoliberale SVP-Mitglieder wie den Banker Thomas Matter, die nach politischer Macht streben und Einfluss und Ansehen der NZZ nutzen wollen. Solche ehrgeizigen SVP-Politiker würden den SVP-Kurs in der NZZ stärken und einen Ausgleich finden für den ordnungspolitischen Rückschlag, den die Neoliberalen durch das Ausscheiden des ehemaligen Verwaltungsratspräsidenten Konrad Hummler erlitten haben.
Franz Steinegger (FDP), VR-Päsident der NZZ, hat diesen Antrag der "IG Freunde der NZZ" bekanntlich nicht einmal auf die Tagesordnung gesetzt.
Presse-Einheitsbrei. Toni Brunner sieht in der Presselandschaft ringsum einen "relativen Einheitsbrei", vom "St. Galler Tagblatt" über die "Neue Luzerner Zeitung" bis zum "Tages-Anzeiger": "Alles recht austauschbar, auch von den Kommentaren her."
Die "Basler Zeitung" erwähnt er gar nicht. Die Angriffe der "Weltwoche" im Verein mit dem neuen Tamedia-Aktionär Christoph Mörgeli gegen "Tages-Anzeiger"-Chefredaktor Andreas Strehle schiebt der SVP-Präsident auf die Ebene der persönlichen Auseinandersetzung. Der Tagi habe schliesslich den Professor Mörgeli abgeschossen, so müsse nun auch Strehle seinerseits die heftige Kritik aushalten. Auf den Gedanken, diese Angriffe seien Teil einer strategischen Übung, um Strehle zu schwächen und den Einfluss von Christoph Blocher bei Tamedia zu stärken, geht Brunner gar nicht ein.
Neues Mediengefüge. Der Szenekenner Richard Aschinger spekuliert in der WOZ, ausgehend von den Ereignissen um BaZ und "Weltwoche", über einen konservativen Zeitungsverbund. Und Tamedia sichere dabei deren Existenz durch kommerzielle Kooperationen. Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer weist solche Gedanken klar von sich. Der Druckauftrag der BaZ für Tamedia sei schlichtes Business wie die Zusammenarbeit mit dem Konkurrenten Ringier und anderen, sagt er. Und von einer redaktionellen Öffnung für Christoph Blocher und die SVP könne keine Rede sein. Zimmer verweist darauf, dass die Zusammenarbeit mit Basel schon mit den früheren Besitzern der BaZ stattgefunden habe.
In diesem Rahmen ist allerdings ein neues Gefüge entstanden, in dem sich die Tamedia über mittlerweile fünf Kooperationsfelder mit dem neuen Partner Christoph Blocher verbunden hat. Und Blocher verfolgt seit Jahren zäh und ausdauernd ein klares politisch-publizistisches Ziel. In diesem engen Geflecht dürfte sich das Interesse von Tamedia am Wohlergehen des neuen Partners durchaus verstärken, denn dieser Partner garantiert eine Online-Präsenz und ein Vertriebsnetz für "Magazin" und "SonntagsZeitung" im Raum Basel. Die eigenen Business-Interessen von Tamedia stützen auch Blochers Projekt "Basler Zeitung".
Damit sind Voraussetzungen erkennbar, dass in der Zeitungslandschaft der (Deutsch-)Schweiz, wo sich die "Redaktionen alle linksliberal" (Brunner) positionieren, wichtige Verlagshäuser bei einer Verschärfung der gesellschaftspolitischen Diskussion auf die rechts-konservative Seite kippen könnten.
Druck auf die SRG. Bleibt der Brocken SRG. Zurzeit wird er von SVP-Parlamentariern mit Nadelstichen bearbeitet. Der Unternehmensberater Thomas Aeschi, neuer SVP-Nationalrat aus Zug, verlangt in seinem Postulat, dass im Fernsehen auch religiöse und politische Werbung erlaubt wird. Und Natalie Rickli postuliert, dass jeder Gebührenzahler – also künftig jeder Haushalt – automatisch zur Mitwirkung in der SRG-Trägerschaft berechtigt ist.
"Die Vorstösse sind nicht orchestriert", versichert Toni Brunner recht glaubwürdig, und die spontanen Reaktionen von Aeschi und Rickli bestätigen ihn. Die Einzelvorstösse von Rickli und Aeschi sind offenkundig nicht aufeinander abgestimmt. Aber sie passen in die SRG-kritische Stossrichtung der SVP.
Sündenfall Gebührensplitting. "Das ist die Freiheit der Volksvertreter", so der SVP-Präsident, und es sei wichtig, dass "‚Volkes Frust’ über die Zwangsabgaben an die SRG zum Ausdruck kommt". Rickli reagiert etwas überrascht auf die Frage, ob denn auch die Privaten, die Gebühren bekommen, eine Mitsprache akzeptieren müssten. Brunner stimmt zu, ohne zu zögern: "Wer Gebühren nimmt oder sich öffentlich finanzieren lässt, muss sich auch mehr hineinreden lassen als andere." Und die SRG sowieso: "In ihrer geschützten Stellung muss sie sich das gefallen lassen."
Für Brunner ist das Gebührensplitting sowieso ein Sündenfall. Es führe zu staatlichen Bedingungen für die Programmgestaltung, zur "Bevormundung" und mache die privaten Unternehmen, die Gebühren beziehen, gefügig: "Man wird unkritischer gegenüber dem Staat."
SRG-Konzentration auf den Auftrag. Toni Brunner will die Werbung der SRG massiv kürzen: keine Werbung mehr nach 20 Uhr, zum Beispiel, und auch keine Unterbrecherwerbung innerhalb von Sendungen. Der SVP-Präsident will zwar die SRG nicht gerade auf die halbe Grösse zurechtstutzen, wie es das SVP-Wahlprogramm von 2011 nahelegt. Aber sie beziehe "zu viel Gebühren" und sie müsse zur "Konzentration auf den Auftrag" gezwungen werden. Dazu muss man auch gegen die "Kopfnicker-Fraktion im Bundeshaus …Druck ausüben".
Letzten Endes ist mehr Freiraum für die Privaten Brunners Kernanliegen. Insgesamt beurteilt er das Radio-Fernseh-Gesetz als missratenes Gesetz, "einer freien Gesellschaft unwürdig". Unterschiedliche Meinungen sollten auch im Fernsehbereich eigene Kanäle haben, ein eigenes nationales Fernsehprogramm. "Wir sind verpflichtet, ein Umfeld zu schaffen, in dem diejenigen, die sagen‚ ‚wir verzichten auf staatliche Gelder’ trotzdem unternehmerisch wirken und sich entfalten dürfen. Das gefällt mir heute nicht, dass einige mit politischen Vorgaben hinuntergedrückt werden, so dass sie sich gar nicht entwickeln und ausbreiten können."
Insgesamt ist eine Wunschvorstellung und teilweise eine Medienstrategie der SVP erkennbar. Sie bringt bei Gelegenheit Medien durch Käufe unter den eigenen Einfluss ("Weltwoche", BaZ), organisiert Einfluss in Medienhäusern (NZZ, eventuell Tamedia), kritisiert private Mainstream-Medien als "links" (von Regionalzeitungen bis zum "Tages-Anzeiger"), will die SRG in ihren Leistungen und ihrer Finanzkraft abbauen und lanciert eigene kleine und grössere Medien (Blocher-TV usw.). Und der Traum vom (eigenen) privaten, nationalen Fernsehsender ist auch noch nicht ausgeträumt.
Das rechtskonservative Mediennetz von Blocher, Tettamanti und Co: Siehe die Grafik aus Edito+Klartext 01/2012 unter edito.ch
1 Kommentar
Ihr Kommentar