Der Verein Öffentlichkeitsgesetz.ch engagiert sich seit zehn Jahren für eine gute Umsetzung der Schweizer Transparenzgesetze. Zu oft würden diese beliebig und mit politischem Kalkül umgesetzt, findet Geschäftsführer Martin Stoll.
Von Martin Stoll
Als wir vor zehn Jahren unsere Initiative starteten, wussten wir: Dieses Gesetz des Bundes, das viele unserer Kolleginnen und Kollegen nicht kannten, ist eine Chance. Es tangiert ein Kernanliegen und den Auftrag von uns Medienschaffenden ganz zentral. Einer Sache hartnäckig auf den Grund zu gehen, ist unser Job. Es ist unsere Verpflichtung, offizielle Statements auch von Behörden zu hinterfragen, nicht sichtbare Vorgänge, wenn sie relevant sind, sichtbar zu machen. Wir wussten: Bei der Erfüllung dieser Mission hilft der Zugang zu den Dokumentenablagen der Verwaltung enorm.
Inzwischen haben wir viele Schweizer Medienschaffende hinter uns. Unsere Initiative hat Eingang gefunden in die journalistische Praxis. Die Öffentlichkeitsgesetze sind heute ein Thema in der Journalistenausbildung und an Redaktionssitzungen. Das wirkt sich in der Anzahl Zugangsgesuche aus und lässt sich an den journalistischen Beiträgen messen, die mithilfe der Schweizer Transparenzgesetze (auch solcher in den Kantonen) umgesetzt werden: Sie haben sich vervielfacht.
Einen Schritt voran, einen zurück. Doch der Kampf um Transparenz ist ein dauerndes Auf und Ab. Mal geht es einen kleinen Schritt vorwärts, wie bei der notorisch transparenzunfreundlichen Rüstungsbehörde armasuisse. Diese publiziert neu alle amtlichen Dokumente, die aufgrund eines Zugangsgesuchs herausgegeben worden sind auf ihrer Webseite. So will das unter Druck geratene Rüstungsamt Einblick in seine Transparenzpraxis geben.
Dann geht es immer wieder auch einen Schritt zurück. Wenn Kantonsvertreter im Bundesparlament mit diffusen Argumenten den gebührenbefreiten Zugang zu Amtsdokumenten bekämpfen. Oder wenn der Bundesrat im Sommer nach zwölf Jahren Evaluation beschliesst, das Projekt für einen zentralen Aktennachweis zu beenden. Dieser wäre ein Quantensprung gewesen, ein taugliches Instrument zur Umsetzung des Öffentlichkeitsprinzips. Auch in Zukunft wissen wir deshalb nicht, welche Dokumente und Dossiers bei den Behörden zu einem Thema lagern.
Die Regierung sagte das Projekt ab, obwohl externe Experten zum klaren Schluss kamen, dass die Dokumente der Bundesverwaltung für Aussenstehende «unzureichend» erschlossen sind und Gesuchstellende mit der Behördenunterstützung «mehrheitlich unzufrieden» sind.
Transparenz als Chance verstehen. Das Seilziehen um Behördentransparenz zeigt, dass diese noch keine Selbstverständlichkeit ist. Dabei leben wir längst in einer Welt, in der Öffentlichkeitsgesetze mehr als ein Störfaktor sein sollten. Ohne das Commitment der Öffentlichkeit wird die Verwaltung die anstehenden Zukunftsaufgaben nicht bewältigen können.
Deshalb sind Transparenzgesetze für die Verwaltung auch eine gewaltige Chance. Damit lässt sich das System, indem wir Lösungen finden müssen, nachhaltig stärken. Das Öffentlichkeitsprinzip schafft dort Vertrauen, wo es der Staat dringend braucht, bei den Bürgerinnen und bei den Bürgern.
Allerdings funktioniert Transparenz oft schlecht. Entscheidungsträger lassen etwa Recht nach Gutdünken walten, egal ob es um Corona-Dokumente, um Pestizid-Daten oder um die Einsicht in Verträge von Asyldienstleistern geht.
Kantone haben Nachholbedarf. Werden Rechte beliebig und mit politischem Kalkül angewendet, ist indessen höchste Vorsicht geboten. Problematisch verhalten sich nicht selten Akteure in den Kantonen. Um die Offenheit der Verwaltung auch in kleinen Räumen zu fördern, werden wir in den kommenden Jahren einen Schwerpunkt auf die Entwicklung der Öffentlichkeitsgesetze in den Kantonen, Regionen und Gemeinden legen. Hauptadressaten werden Medienschaffende sein, die wir im Umgang mit ihren Öffentlichkeitsgesetzen schulen und coachen. Wir werden aber auch versuchen, mit den innovativen Kräften der Behörden zusammenzuarbeiten.
Dabei sind unsere Forderungen recht bescheiden. Wir wollen einzig, dass die Transparenzgesetze gut umgesetzt werden. Dass die Antworten auf Zugangsgesuche aus valablen juristischen Argumenten bestehen – und nicht ein politisch motiviertes Statement einer transparenzfeindlichen Behörde wiedergeben.
Wo wir mit schlechten Argumenten abgespeist werden, lassen wir auch in Zukunft nicht locker. Im Kanton Zürich verlangen wir beispielsweise seit 2018 Traktandenlisten der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) heraus. Zwar hat uns das Bundesgericht im Sommer Recht gegeben. Inzwischen ist Winter und das von den Lausanner Richtern zurückgewiesene Dossier liegt immer noch auf den Tischen der Zürcher Verwaltung.
Zuvor hatte sich der Zürcher Regierungsrat einen eigentlichen Schildbürgerstreich geleistet: Um das Verfahren loszuwerden, erklärte er sich einfach als nicht zuständig für die Umsetzung der eigenen Gesetze.
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