Der Abbau von rund 250 Stellen bei der SRG ist der Ausläufer eines bedrohlichen Tiefdruckgebietes in der Medienlandschaft. Dicke Wolken ziehen 2016 auch bei den Zeitungsverlagen auf. Lokale Aufhellungen kann es vereinzelt trotzdem geben, wie eine Umfrage zeigt.
Von Harry Rosenbaum
Es ist anzunehmen, dass im Jahr 2016 der Personalabbau bei den traditionellen Medien weiterhin ein grosses Thema sein wird", sagt Janine Teissl, Zentralsekretärin beim Berufsverband impressum. "Die Medienunternehmen werden sicher auch nächstes Jahr Reorganisationen durchführen in der Hoffnung, damit Kosten sparen und auf veränderte oder vermeintlich veränderte Bedürfnisse der Leserschaft eingehen zu können."
Andererseits seien Online-Medien mit journalistischen Inhalten im Aufwärtstrend, sagt Teissl weiter. Bei Verlagen nähmen die Umsätze dieses Bereichs zu und es kämen neue Anbieter auf den Markt, die bisher nicht im Medienbereich tätig gewesen seien. "Im Online-Bereich ist der personelle Bedarf wohl noch nicht gedeckt."
Auch die Anforderungen an Profil und Arbeitsweise der Journalisten würden sich ändern. Für 2016 sei aber nicht anzunehmen, dass dieser Trend die Abbautendenz bei den traditionellen Medien ausgleiche.
Höhere Arbeitslosenzahlen
"Der Blick auf die Statistik des Seco zu den Zahlen über die registrierten Arbeitslosen zeigt: In der Berufsgruppe’ Medienschaffende und verwandte Berufe’ nimmt die Zahl der registrierten Arbeitslosen wieder zu", sagt Stephanie Vonarburg, Zentralsekretärin bei der Gewerkschaft syndicom.
Ende Oktober 2015 seien in dieser Kategorie 1182 Personen gemeldet gewesen, das seien 1,3 Prozent mehr als im Vormonat und 7 Prozent mehr als im Oktober des Vorjahres."Dieser Trend dürfte nächstes Jahr weitergehen", sagt sie, und: "Bekannt ist, dass die Zahl der tatsächlichen Arbeitslosen insgesamt höher ist. Das trifft in der Medienbranche besonders zu: Einerseits, weil es viele Freelancer gibt, die unterbeschäftigt sind, das heisst weniger Aufträge haben oder für ihre Aufträge schlechter bezahlt werden. Andererseits, weil sich nicht wenige Arbeitslose mit Arbeiten als Freelancer finanziell mehr schlecht als recht über Wasser halten."
Kaum Wachstum bei Tamedia
"Angesichts der weiterhin rückläufigen Werbeeinnahmen ist branchenweit nicht von einem Wachstum der Redaktionstellen bei Tageszeitungen auszugehen", sagt Christoph Zimmer, Leiter der Unternehmenskommunikation bei Tamedia AG. "Unser Ziel als Medienhaus ist es, über die Zusammenarbeit zwischen den Redaktionen genügend grosse Teams mit einer kritischen Grösse zu schaffen. Diese müssen sich in einem zunehmend internationalen Wettbewerb behaupten und den Ansprüchen eines Publikums gerecht werden, das sich rund um die Uhr informieren will."
Der Trend zum Abbau wird
auch via Online-Ausbau
kaum aufgefangen.
Die Zahl der Personen, die sich mit der Produktion von Medieninhalten beschäftige, sei in den letzten Jahren gewachsen, sagt Zimmer. "Viele dieser Stellen sind aber in neuen Medien, auf Unternehmensseite oder bei Agenturen entstanden. Ich gehe davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzt."
Status Quo bei NZZ. Den jetzigen Stand beim Personal halten will die NZZ-Mediengruppe. Konzernsprecherin Myriam Käser sagt: "Wir haben bei der NZZ 2014 das Redaktionsbudget erhöht und halten es seither auf diesem Niveau stabil. Für das kommende Jahr ist also weder ein Aufnoch ein Abbau vorgesehen.
Umbauen und verändern müssen wir uns aber angesichts des beschleunigten Medienwandels selbstverständlich laufend, um weiterhin erstklassige Publizistik machen zu können." Wie in vielen anderen Medienhäusern würden auch bei der NZZ Umlagerungen vom Print zu Online stattfinden.
Wackelpartie bei AZ Medien
Eine personelle Wackelpartie ist bei den Redaktionen der Tageszeitungen von AZ Medien AG 2016 zu erwarten. "Es muss weiter abgebaut werden", sagt Monica Stephani, Leiterin der Unternehmenskommunikation. "Vorerst ist das eine Prognose. Wir stehen erst in der Budgetphase." Weil der Online- Bereich immer noch im Wachstum und Ausbau begriffen sei, könne es hier aber auch mehr Jobs geben, mutmasst Stephani.
Chancen bei Online
Die Frage an den Direktor des MAZ: Wird 2016 auf den Tageszeitungs- Redaktionen weiter Personal ausgejätet? "Wenn ich mir die ungebrochen sinkenden Auflagezahlen vor Augen führe, spricht alles für dieses Szenario", sagt Diego Yanez.
Wird es dafür online mehr Medienjobs geben? "Viele Medienhäuser investieren immer noch in den Online-Bereich. Allerdings weniger als auch schon – so mein Eindruck."
Wer hat die besseren Chancen für eine Anstellung: Bewerberinnen und Bewerber, die sich crossmedial spezialisiert haben oder jene, die einen Medienkanal auch wirklich beherrschen? "Weder, noch", sagt Yanez. "Es ist wichtig, dass man einen Kanal profund beherrscht, gleichzeitig aber die anderen versteht. Denn in Zukunft wird die Zusammenarbeit über die Kanäle hinweg an Bedeutung gewinnen."
Thomas Paszti, Geschäftsführer bei Medienjobs, fühlt den Puls des medialen Arbeitsmarktes. "Klar werden die Redaktionen weiter ausgedünnt", sagt er. "Auch klar ist, dass Online an Bedeutung weiter gewinnt und Print weiter verliert. Deshalb sind digitale Skills schon fast normal; wer hier keinerlei Kompetenzen hat, kommt ausser in Ausnahmefällen unter die Räder, zumindest mittelfristig."
Im Bereich der privaten Radio- und Fernsehstationen ist Zuversicht angesagt: Sie erhalten einen höheren Gebührenanteil und werden ausbauen können. Bei der SRG hingehen muss im kommenden Jahr der Abbau umgesetzt werden. Alles in allem die positivsten Perspektiven bezüglich Arbeitsstellen 2016 bieten sich im Onlinebereich.
Harry Rosenbaum ist freier Journalist.
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