Am Jahreskongress der Verleger besteht jährlich die Gelegenheit, den Puls der Branche zu messen. An Konfliktthemen mangelte es wie üblich nicht. Aber die dicke Überraschung war unüblich und nicht programmiert. Von Philipp Cueni
Ein hohes Potenzial an Konfliktthemen machte den Kongress der Verleger dieses Jahr besonders spannend: Der Austritt von Ringier, der Angriff auf die SRG, der Streit mit den Journalistenverbänden. Und dann war ja wieder die Medienministerin eingeladen, welche von einem Verleger schon vor ihrem Auftritt massiv kritisiert worden war, weil sie zu stark eingreife.
Der Kongress begann mit einer Überraschung. Die Verleger haben sich in ihren Jahreszielen verpflichtet, den Sozialpartnern einen Vorschlag für einen GAV zu unterbreiten und dann Verhandlungen aufzunehmen. Das war so nicht geplant.
Jahrelang wollte der Verband gar nichts von Verhandlungen wissen. Jetzt war der Druck offenbar zu gross, nachdem selbst die Medienministerin die Verleger an die gute Tradition einer Sozialpartnerschaft mahnte. Jetzt wollte der Verlegervorstand wenigstens eine Arbeitsgruppe einsetzen. Ob dieser Kurswechsel ernst gemeint war, blieb vorerst offen. Denn statt eine Verhandlungsbereitschaft offensiv zu kommunizieren, wurde das Thema zum fast schon traditionellen Debakel. Ein Antrag, die Verhandlungsbereitschaft in den Jahreszielen festzuschreiben, wollte Präsident Hanspeter Lebrument mit dem Hinweis auf die Absichtserklärung des Präsidiums partout nicht zur Abstimmung bringen. Diesen formellen Trick konnte der Vorstand aber zu wenig gut begründen, nach einigen kritischen Voten aus der Basis nahm er ein Timeout. Nachdem zwischenzeitlich Vizepräsident Pietro Supino die Sitzungsleitung und den Lead übernommen hatte, durfte abgestimmt werden. Und mit einstimmigem Bechluss des Plenums hat sich der Verband nun ziemlich deutlich verpflichtet, Verhandlungen aufzunehmen. Nach vielen Jahren der Blockade ist das ein bemerkenswerter Fortschritt. Die im Printbereich führenden Gewerkschaften impressum und syndicom sind vorerst mal zufrieden und warten auf den versprochenen Vorschlag. Und Pietro Supino kündigte an: "Wir wollen gute Arbeitgeber sein."
Das zweite grosse Konfliktthema: Das Verhältnis zu Ringier, nachdem der Verlag kurz vor dem Kongress aus dem Verband ausgetreten war. Gegenüber Ringier waren am Kongress keine bösen Worte zu hören. "Wen die Suppe nicht mehr so heiss ist, dann müssen wir wieder zusammenfinden." (Supino). In der Sache, der Kooperation von Ringier mit SRG und Swisscom, blieb man allerdings bei der harten Kritik.
In der Sache selbst geht es den Verlegern vor allem um die SRG. Es stört sie ordnungspolitisch, dass die öffentliche SRG sich in diesem Marktbereich bewegt: Das müsse rückgängig gemacht werden – sei es via Wettbewerbskommission oder via Bundesrat, denn dieser müsse – finden die Verleger – die "neue Werbeform" genehmigen. Allerdings könne man unternehmerisch die SRG verstehen, kommentierten die Verleger etwas kleinlaut. Denn man hatte früher einmal selbst einen gleichen Plan exklusiv unter den Publishern, das ist aber nicht zustandegekommen. Jetzt versucht man es nochmals: Man sei bereit in aller Offenheit eine Branchenlösung aufzubauen – allerdings ohne SRG.
Der Verlegerverband setzt auf eine Intervention des Bundesrates. Der Auftritt der Medienministerin weckte dazu allerdings wenig Hoffnung. Der Bundesrat werde prüfen, ob diese Aktivität der SRG eine "erhebliche Beeinträchtigung" darstelle, es seien durchaus auch Auflagen möglich. Und man halte absolut am Online-Werbeverbot für die SRG fest. Aber man müsse dem Trio (Ringier/SRG/Swisscom) gratulieren, weil es unternehmerisch eine kluge Antwort auf die Herausforderungen sei. Die Verleger forderte Doris Leuthard auf, ihre konkreten Bedenken dem Bundesrat mitzuteilen. "Nur mit Jammern kann ich nichts anfangen". Und sie fragte die Verleger: "Wo ist Ihr Problem? Ist es die böse SRG oder die böse Swisscom?" Und: "Verbrauchen Sie Ihre Kraft im Kampf gegen einen falschen Feind, die SRG?" Das Bekenntnis der Medienministerin zur SRG war ziemlich eindeutig.
Der Kongress brachte mit seinen Kontroversen und Debatten mehr Spannung als auch schon. Auch wenn die Medienministerin nach ihren kritischen Worten nicht wie weiland Ueli Maurer ausgepfiffen, sondern mit Blumen verabschiedet worden ist: Der Puls schien bei den Verlegern auch am Ende des Kongresses eher hoch.
Ihr Kommentar