Thema QUALITÄT JOURNALISMUS
Das dritte Jahrbuch zur "Qualität der Medien" von Kurt Imhof und seinem Team ist erschienen. Aber das Echo ist mässig. Wie kommentiert Kurt Imhof die Reaktionen?
EDITO +Klartext: Kurt Imhof, das Jahrbuch 2012 zur Qualität der Medien ist in der Medienwelt bisher auf sehr wenig Resonanz gestossen.
Kurt Imhof: Die Resonanz des Jahrbuches 2012 ist vergleichbar mit den Echos auf die Jahrbücher 2010 und 2011. Es gibt einen Peak durch die Medienkonferenz und die bearbeiteten und unbearbeiteten Agenturmeldungen, dann einen Resonanzschweif vor allem in den Social Media und dann – das steht aber noch bevor – kommen einige Nachbearbeitungen anlässlich von Veranstaltungen und von Medien, die sich der Sache gründlicher annehmen. Bisher haben die Erörterungen über die ausgebliebene Resonanz aus dem vielgestaltigen Hause tamedia die Auseinandersetzungen mit Vertretern dieses Hauses in den Jahren 2010 und 2011 kompensiert. Für ein repetitives Ereignis ist das erstaunlich. Das Jahrbuch liess sich nicht durch Resonanzentzug vakuumieren. Mangels Gelegenheit gilt es einzig die zahlreichen Publikumspostings auf den Online-Newssites zu bedauern. Sie haben 2010 und 2011 immer grossmehrheitlich das Anliegen des Jahrbuchs unterstützt. Die SRG hat diesmal etwas mehr gemacht, aber der öffentliche Rundfunk sollte die Debatte entschieden stärker beleben.
Was fällt an den Reaktionen oder auch Nicht-Reaktionen besonders auf?
Was seit dem ersten Band 2010 am meisten auffällt, ist die schwache Reaktion der Journalistinnen und Journalisten in den Onlineforen. Seit die Pseudonyme auf den einschlägigen Onlinesites in Verruf geraten sind, hat die Bereitschaft in einen Qualitätsdiskurs einzusteigen, nochmals abgenommen. Gleichzeitig werden die unter dem Siegel der Vertraulichkeit vermittelten Gravamina aus der Szene zahlreicher. Sie beklagen das Ausbleiben der Ressourcen- und Qualitätsdebatte in den jeweiligen Verlagen. Beides zeugt von gewachsenen Bedenken sich zu exponieren. Bemerkenswert ist aber auch die Orientierungskrise, die das Berufsfeld bis ins Mark hinein erfasst hat. Die Erwartungsunsicherheit in der Branche ist gross, gleichzeitig mäandriert das journalistische Selbstverständnis zwischen einer simplen Marktorientierung und einem tradierten journalistischen Qualitätsverständnis (wie es das Jahrbuch vertritt). Diese Orientierungskrise bedroht die Profession mehr als die Ressourcenkrise. Alle anerkannten Berufe haben spezifische Qualitätsstandards, die den Beruf von innen und aussen definieren und mit gesellschaftlichen Funktionen in Bezug setzen. Wenn solche Qualitätsstandards bröckeln, fransen Professionen als solche aus, verlieren an Geltung und es sinken – auch unabhängig von konjunkturellen Lagen – die Gehälter. Diese Orientierungskrise im Journalismus durchdringt nicht nur die Redaktionen, sie hat auch die Ausbildungsstätten erreicht. Der Journalismus wird daselbst viel zu wenig mit seiner gesellschaftlichen Funktion in der Demokratie begründet. Die Marktorientierung produziert nicht nur mehr vom Gleichen, sie frisst auch die Institutionen mitsamt ihrem Nachwuchs und schwächt die Interessenvertretung des Journalismus.
Kannst Du sagen, dass aus der Erfahrung des letzten Jahres dann übers Jahr doch mehr an Aufmerksamkeit und Reaktion in der Medienszene läuft? Was? Beispiel Einladung an Dich für interne Diskussionen von Verlegern oder Chefredaktoren oder Redaktionen oder? (Mein Eindruck: wenn das nicht geschieht, dann müsste man sich fragen, ob sich der ganze Aufwand lohnt.)
Die Medienentwicklung – bzw. der neue Strukturwandel der Öffentlichkeit – ist innerhalb wie ausserhalb der Wissenschaft innerhalb der mächtig angeschwollenen Demokratiedebatte (Postdemokratie, Globalisierung, Transnationalisierung, Repräsentationsprobleme durch Fragmentierung, Ökonomisierung) ein Kernthema. Deshalb können diejenigen, die sich damit beschäftigen, die Einladungen zu Vorträgen, Podiumsdiskussionen, Publikationen, Tagungen oder zu Blatt- und Inhaltskritiken kaum bewältigen. Dabei bleiben jedoch der Verlegerverband wie die Berufsorganisationen weitgehend aussen vor. Der Verlegerverband hat kein Qualitätsselbstverständnis mehr, er befindet sich auf dem abenteuerlichen Pfad journalistische Qualität mit Merkmalen von industriellen Produkten gleichzusetzen und die Berufsorganisationen lassen dieses Thema (das ihnen Geltung verschaffen würde), hinter den sozialpartnerschaftlichen Auseinandersetzungen zurücktreten, um den Zusammenhalt im weit ausgefransten Berufsfeld nicht zu gefährden.
Wie beurteilst Du Dein Ziel, eine Qualitätsdebatte in Gang zu setzen, nach drei Ausgaben? Was könnt ihr dafür tun, um das noch besser zu erreichen?
Ich glaube nicht, dass wir es noch viel besser können. Der Zeitgeist des Antiintellektuellen ist stark und sozialwissenschaftliches Reflexionswissen hat an sich grosse Mühe Resonanz zu erzielen. Wichtig ist allein schon, die Tradition der Medien- und Öffentlichkeitsreflexion aufrechtzuerhalten und weiter zu entwickeln. Seit den Klassikern der Sozialwissenschaften begleitet diese Reflexion die moderne Gesellschaft. Sie ist heute umso wichtiger, weil die Selbstreflexion in den Medien abgebaut worden ist.
Trotzdem ist es gelungen die Qualitätsdebatte in Gang zu setzen. Allerdings eher gegen die Branche als mit ihr. Das Jahrbuch bildet in der Schweiz hierfür einen Katalysator und wir unterstützen die Bestrebungen in Österreich und Deutschland auch solche Untersuchungen zu realisieren. Das politische Personal (sogar in überparteilicher Breite), die Wissenschaft, Publikumsorganisationen, zivilgesellschaftliche Vereine, Lehrerinnen und Lehrer und viele Akteure der Wirtschaft bedauern die Qualitätserosion des Informationsjournalismus. Entsprechend nehmen die medienpolitischen Vorstösse zu, während die Branche die Zeichen an der Wand noch viel zu wenig sieht.
Jahrbuch 2012, Qualität der Medien. Herausgegeben vom fög (Kurt Imhof und andere Autoren). Schwabe 2012.
Fragen von Edito +Klartext, Interview schriftlich.
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