Nach dem Nein zum Massnahmenpaket zugunsten der Medien und vier Jahre nach dem Personalstreik versucht Keystone-SDA sich in einem angespannten Klima zu behaupten.
Von Alain Meyer
Die Nachrichtenagentur Keystone-SDA reorganisiert im Hinblick auf 2023 ihr Angebot: Kunden sollen gezielt gebunden, andere zurückgewonnen werden (20 Minuten zum Beispiel) und neue dazukommen. «Wir setzen auf eine Vertiefung der Themen, einen schnelleren Newsfeed und bei diesem auf eine erhöhte Präsenz während der Randzeiten, am frühen Morgen und Wochenende», erklärt Jann Jenatsch, Mitglied der Geschäftsleitung der Keystone-SDA-ATS AG, gegenüber EDITO.
Er ergänzt, dass ein neuer Regionalservice für die Westschweiz im Angebot stehen werde, die Regio News Arc jurassien/Fribourg. Dieser Service ist in Tat und Wahrheit aber nur eine Zusammenlegung bestehender Regionalbüros. Mehrere Journalistinnen und Journalisten sind mit diesen zahlreich geplanten Änderungen nicht einverstanden. «Ich weiss nicht, wie lange wir diesen Rhythmus durchhalten werden», sagt eine Quelle, die anonym bleiben will.
Problematische Rollenwechsel. Unsere Quellen befürchten, dass die organisatorischen Knacknüsse den gesamten Betrieb bedrohen, insbesondere innerhalb der «unzureichend ausgestatteten» französischsprachigen Redaktion. «Bundeshausjournalistinnen und -journalisten wurden bereits diesen Sommer in Anspruch genommen, um die Zentralredaktion zu unterstützen. Die Regionalbüros kümmerten sich im Frühling darum. Auch im Herbst wird dies wieder der Fall sein», sagen empörte Stimmen.
Diese Rollenwechsel bergen ein reales Risiko: die Verwässerung regionaler Informationen. «Es geht um die Glaubwürdigkeit der Informationen, die den regionalen Medien geliefert werden. Und diese schätzen unser Angebot», heisst es hinter den Kulissen. Und das aus gutem Grund. Denn auch diese Medien müssen den Gürtel enger schnallen und verlassen sich deshalb immer mehr auf den Agentur-Newsfeed.
Zu diesem Druck gesellt sich die Befürchtung mancher Journalistinnen und Journalisten, dass beim Schreiben von Agenturmeldungen bald die Zeit gemessen werden könnte. Jann Jenatsch dementiert den Wettlauf gegen die Zeit nicht. «Mit der Neuausrichtung setzen wir auf eine Takterhöhung und verlangen von unseren Redakteurinnen und Redakteuren, dass sie schnell reagieren», so Jenatsch. Er hält aber fest: «Be first, but first be right.» Schnell sein ja, aber erst verifizieren. «Zudem wird von uns immer mehr Mehrwert verlangt», beklagt sich unsere Quelle – neue Blickwinkel oder hauseigene Analysen.
«Schlechtes Arbeitsklima». Kurz vor dem Sommer hat sich die Personalkommission dazu durchgerungen, der Geschäftsleitung einen Brief zu schreiben. Dieser liegt EDITO vor. «Die Situation der Angestellten verschlechtert sich immer weiter», sorgen sich die Unterzeichnenden und beklagen sich über die mangelnde Anerkennung ihrer Arbeit während der Covid-Krise. «Das Arbeitsklima ist schlecht», heisst es im Brief. Das gilt umso mehr, weil das neue, 2023 in Kraft tretende Personalreglement den Journalistinnen und Journalisten, die älter als 45 Jahre alt sind, Ferientage kürzen wird. Bislang wurde den über 45-Jährigen eine zusätzliche Woche versprochen, eine weitere den über 55-Jährigen.
«Wir versuchen, die individuellen Löhne anzupassen. Eine allgemeine Erhöhung ist nicht vorgesehen.»
Ab nächstem Jahr steht dieser Bonus nur noch Letzteren zu. Laut den Autorinnen und Autoren des Briefes, welche die Unterstützung der Gewerkschaften syndicom und SSM geniessen, wird dieses Reglement die Liste der Probleme nur verlängern. Der Forderungskatalog umfasst Folgendes: eine angemessene Entschädigung für Wochenend- und Abendarbeit, eine transparente Kommunikation vonseiten der Geschäftsleitung, einen Gesamtarbeitsvertrag, Lohnperspektiven, Teuerungsausgleich und den Umbau der Nachrichtenagentur in ein öffentliches Dienstleistungsunternehmen.
«Attraktive Verträge». Jann Jenatsch äussert sich zu einer Finanzierung mit Bundesgeldern vorsichtig, er selbst würde «einen gesunden, kundenorientierten Wettbewerb zwischen den Medien vorziehen». Angesprochen auf die gekürzten Ferientage meint er: «Auch wenn die Mitarbeitenden nicht mehr von so vielen Ferientagen oder bezahlten Ferien wie zuvor profitieren, sind die Anstellungsbedingungen im Vergleich zu anderen Medien bei uns immer noch attraktiv.» Werden die Gehälter angehoben, um die Inflation auszugleichen? «Wir werden versuchen, 2023 die individuellen Löhne anzupassen. Eine allgemeine Erhöhung ist aber nicht vorgesehen», schliesst Jenatsch.
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