Radsport-Magazin: für Leute mit Rennradlenker
Wer Schweizer Journalisten auf Twitter folgt, stellt fest, dass nicht wenige von ihnen eine Affinität zum Velo haben. Das zeigt sich dann etwa in Tweets zum Transport in SBB-Zügen (Ärger!), zu besonders schönen Strecken (Super!) oder in Selfies von Passhöhen (Yeah!).
Und wer veloaffinen Journis auf Twitter folgt, landet aktuell schnell beim Account @GuidoGuemmeler. Dieser kündigt Grosses an: «Hier entsteht etwas Neues: Ein Schweizer Radsport-Magazin, das 2023 das erste Mal und ab 2024 – pünktlich zur Rad-WM in Zürich – regelmässig erscheint.» Interessierte können bereits jetzt mitentscheiden, wie es heissen soll. «Col»? «Bidon»? «Gruppetto»? «Velo»? «Gümmeler»?
Dahinter stecken Corsin Zander (Redaktor Ressort Zürich des Tages-Anzeigers), Pascal Ritter (Reporter bei CH Media), Tim Brühlmann (Art Director beim Schweizer Illustrierte-Sportmagazin, mood studios) und Janine Gloor (freie Journalistin), die ein Konzept für ihr noch namenloses Magazin erarbeitet haben. Dieses soll «die Velobegeisterung der Leserschaft auslösen, spiegeln und befeuern». Die Hauptzielgruppe bilden laut Konzept Menschen im Alter von 20 bis 70 Jahren, «die das Fahren mit Fahrrädern mit Rennradlenkern (Rennvelo, Bahn, Gravel, Radquer) als Lifestyle sehen».
Es soll, so Zander, ein relativ umfassendes Magazin «im Premium-Bereich» sein. «Unsere Inspiration ist das Fussballheft Zwölf», sagt Ritter, als Vorbilder nennt er die Publikationen Peloton aus Grossbritannien und Pédale! aus Frankreich. Im Juni 2023 soll eine erste Ausgabe publiziert werden, ab 2024 soll das Magazin viermal jährlich erscheinen. Wer sich auf dem Laufenden halten will: @GuidoGuemmeler weiss mehr.
Ombudsstelle: Empörte Dame gegen Radio SRF
Die Dame war empört. Sie sehe «die SRG als eine der eifrigsten Totengräberinnen einer freiheitlichen, direktdemokratischen Schweiz», schrieb sie an die Ombudsleute von Radio SRF und beanstandete einen Beitrag in HeuteMorgen von Radio SRF: Darin kamen – nach einem NZZ-Interview mit der Schweizer EU-Chefunterhändlerin Livia Leu – Vertreter*innen von FDP, SP, Mitte und Grünliberalen zu Wort. Aber nicht «die EU-kritische SVP». Damit habe SRF das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt.
Die SRF-Redaktion sah das Gebot nicht verletzt, wie sie in ihrer Stellungnahme mitteilte: Es sei «in diesem Fall die Rolle (und die Freiheit) des Journalisten, aus der Gesamtzahl der recherchierten Reaktionen die inhaltlich relevantesten herauszunehmen».
Die Ombudsstelle indes hiess die Beschwerde gut: Bei den EU-Verhandlungen handle es sich «um ein gewichtiges politisches Dossier, bei dem die SVP nicht nur sehr dezidierte, sondern auch (…) Positionen vertritt, die sich von den anderen bürgerlichen Stellungnahmen unterscheiden», schrieb sie unter anderem. Zudem seien die übrigen Bundesratsparteien zu Wort gekommen.
«Die Ombudsstelle erachtet es als nicht zwingend, zu jeder Sendung, die dem Verhältnis EU-Schweiz gewidmet ist, auch die Stellungnahme der SVP einzuholen», betonen die Ombudsleute SRG D, sie hätte aber in diesem Einzelfall gehört werden müssen, das zeige die Begründung des Entscheids.
Radio SRF wird den Bericht der Ombudsstelle intern diskutieren, aber nicht an die UBI weiterziehen, wie Michael Bolliger, Mitglied der Chefredaktion SRF-Audio, sagt: «Den Entscheid, ob und wie die Positionen der relevanten Parteien/Organisationen zu einem Thema abgebildet werden, fällen wir – auf der Basis des Sachgerechtigkeitsgebots – weiterhin im Einzelfall.»
Fragt sich zum Schluss, wie die empörte Dame den Entscheid interpretiert. Und ob sie weitere Beanstandungsfälle findet – schliesslich hat die SVP bei vielen «gewichtigen politischen Dossiers» eine «dezidierte Position».
Fög-Studie: Druck und Dreck gegen Journalist*innen
Ja, es ist beunruhigend, dass in der Schweiz die Zahl derjenigen, die keine oder kaum journalistische News nutzen, weiter gestiegen ist. Und natürlich muss es gerade Medienschaffende beschäftigen, dass junge Menschen pro Tag im Schnitt nur etwa sieben Minuten mit News auf ihrem Smartphone verbringen. Diese Studienergebnisse aus dem aktuellen «Jahrbuch Qualität der Medien» sind denn auch in vielen Medien aufgenommen worden.
Wenig Resonanz fand die Studie «Pressured by the pandemic?» über Druckversuche und Einflussnahmen auf Journalist*innen zwischen 2020 und 2021. Dabei enthält sie Resultate, die aufschrecken lassen. Rund 87 Prozent der befragten 567 Journalist*innen aus allen Landesteilen haben «externe Einflussnahmen» erlebt, darunter «Klassiker» wie etwa die Androhung von juristischen Schritten, Anzeigenentzug, Informationsentzug oder karrierebezogenen Nachteilen.
Und, schlimmer: Rund die Hälfte der Befragten sah sich mit «Beleidigungen/Hassbekundungen» konfrontiert, 16 Prozent mit «sexistischen Bemerkungen/Belästigungen», 12 Prozent mit «Stalking/Überwachung», 10 Prozent mit der Androhung körperlicher oder sexueller Gewalt – mehr als 2 Prozent erlebten gar körperliche oder sexuelle Gewalt.
Dass knapp 60 Prozent «Verschwörungsvorwürfe» zu hören bekamen, erstaunt angesichts der Pandemie nicht. Doch zu hoffen, dass diese Vorwürfe, dass Beleidigungen, Drohungen und Gewalt gegen Journalist*innen mit Corona enden würden, ist naiv. Wer einmal Grenzen überschritten hat, wird es wieder tun. Einfach bei einem anderen Thema.
Journalist*innen machen sich selbst ungern zum Thema. In diesem Fall sollten sie es dennoch tun.
Bettina Büsser
Redaktorin EDITO
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