Sommaruga macht die DJane, Berset trinkt Bubble Tea
Sommerzeit – und alles wird lockerer. Oder präsentiert sich auf jeden Fall lockerer. So stellte sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga, auf Arbeitsbesuch im Senegal, an ein DJ Pult und scrachte mit etwas (Entwicklungs-)Hilfe von DJ Nina. Die Schweizer Medien berichteten mit Begeisterung und Esprit darüber.
Neben dem kulturellen Einsatz ging es im Senegal übrigens auch um ein Klimaabkommen. Um grosse Klimaprobleme wird sich Sommaruga auch nach ihrer Rückkehr kümmern müssen. Denn die Belegschaft des Westschweizer Radios und Fernsehens RTS fordert sie in einem Brief auf, sich für die Aufarbeitung der Missstände bei RTS einzusetzen – quasi ein Hilfeschrei.
Nur wenig Hilfe brauchte derweil Bundesrat Alain Berset, um locker rüberzukommen. Als «Bundesbro» war er zu Gast in der witzigen Parodie «Tagessheesh» («Tagesschau für Millennials») von «Zwei am Morge». Berset trug zwar Anzug und Krawatte, montierte aber die Sonnenbrille, nippte am Bubble Tea und lernte bereitwillig ein neues Vokabular («no cap» – «ist so») – alles für einen guten Zweck: Damit sich die Jungen impfen lassen.
In den über 300 YouTube-Kommentaren erntete er dafür viel Lob von seinem Impf-Zielpublikum: «Berse isch huere ehre daser immer mitmacht ????», «Digga Alain Berset so en geile ???? bi ihm lauft Die hütig Jugend» und «Daddy Berset eifach en ehremah». Selbst für SRF fiel dabei noch eine Streicheleinheit ab: «Für das zahli sogar gern Serafe Gebühre ????».
Peter Schneider macht keine Presseschau mehr, die Literatur verliert eine Sendung
Abschiedswoche gleich für zwei Sendungen von Radio SRF: Am Sonntag war auf SRF 2 Kultur zum letzten Mal «52 beste Bücher» zu hören, am Freitag auf SRF 3 «Die andere Presseschau». So unterschiedlich wie die beiden Sendungen war auch der Grund für ihre Einstellung. Über das Ende für «Die andere Presseschau» des «Haussatirikers» von SRF 3, Peter Schneider, entschied Schneider selbst: Wie er bestätigte, war es sein Wunsch, in «Frühpension» zu gehen. Damit ist nun Schluss mit der täglichen Kurz-Dosis satirischer und pointierter Zeitungskritik, nach mehr als 30 Jahren.
Ein ähnliches Alter hatte «52 beste Bücher» erreicht. Die Sendung – wöchentlich ein ausführliches Gespräch mit der Autorin/dem Autor einer «herausragenden literarischen Neuerscheinung» – wurde aus Spargründen abgesetzt. Weder ein Offener Brief bekannter AutorInnen noch ein Protestschreiben des Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verbands mit über 8’000 Unterschriften konnten das verhindern. Und wie geht es weiter? Schliesslich hatte SRF-Direktorin Nathalie Wappler versprochen, es werde «weiterhin ein attraktives Literaturangebot» geben. «Das neue Literaturformat ist in Entwicklung», so René Schell, Stabschef SRF Kultur und Leiter Audio & Musik a.i.: «Sobald die Details erarbeitet sind, werden wir sie kommunizieren.»
Köppel will Cousine heiraten, Rutishauser kürzt seinen Kommentar
Die «Ehe für alle» versetzt «Weltwoche»-Chefredaktor und -Verleger Roger Köppel offenbar in heftige Aufregung. «Dann kann man auch sein Pferd oder seinen geliebten Wellensittich heiraten» twitterte er, und «Ein Tisch heisst Tisch. Ein Stuhl ist ein Stuhl. Eine Ehe ist die Verbindung zwischen Mann und Frau. (…) Wo Worte ihre Bedeutung verlieren, beginnt die Despotie», und schliesslich «Kann ich dann auch meine superattraktive Cousine heiraten? Wenn ja, bin ich dafür!» Pech gehabt, Herr Köppel: Zwar dürfen in der Schweiz bereits jetzt Cousine und Cousin heiraten – aber Bigamie bleibt auch mit der «Ehe für alle» verboten.
Sehr aufgeregt war auch Tamedia-Chefredaktor Arthur Rutishauser, nachdem er die (unakzeptable) Karikatur mit der Tamedia-Journalistin Michèle Binswanger gesehen hatte, welches das Reitschule-Magazin «megafon» veröffentlicht hatte. Die Geschichte und ihre Folgen können wohl als bekannt vorausgesetzt werden oder zum Beispiel hier, hier, hier und hier (in unterschiedlichen Färbungen) nachgelesen werden. Rutishauser kommentierte in aller Heftigkeit und veröffentlichte den Schluss seines Kommentars gleich in drei Versionen, eine im Print, zwei online.
Die heftigste Version – «Besorgniserregend ist, dass mittlerweile ein Teil der politischen Linken so intolerant geworden ist, dass sie auf jeglichen Anstand verzichtet und Volksverhetzung betreibt, wie wir sie bei Rechtsextremen erwarten und wie wir sie eigentlich seit 1945 bei uns überwunden glaubten» – war nur vorübergehend online zu lesen. Dann wurde der Teil nach «Volksverhetzung betreibt» kommentarlos entfernt. Gelöscht hat übrigens auch «megafon» seine Karikatur (und sich dafür entschuldigt). Zu sehen ist sie – leicht verpixelt – aber nach wie vor bei 20minuten.ch. Ob sich Rutishauser, der gegen «megafon» eine Klage angekündigt hat, darüber auch aufregt?
Bettina Büsser
Redaktorin EDITO
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