Tech-Journalist backt Brot, oder: Einladung zur Entspannung
Am letzten Samstag lief die Frist ab, innert der Nutzer*innen die umstrittenen neuen Whatsapp-Nutzungsbedingungen akzeptieren müssen. Dazu gibt es ein informatives Video von Tamedia-Technik-Journalist Rafael Zeier. Es ist – natürlich – nicht Zeiers erstes Video.
Bis vor einem Jahr hat er seine Filme mit dem hauseigenen Webvideo-Team gedreht. Dann kamen Corona, Homeoffice und Kurzarbeit. Zeier hatte mehr Freizeit, war zuhause, musste seine Videos selbst produzieren – und wurde zum «passionierten Youtuber». Er filmt sich dabei, wie er «neue Sachen ausprobiert»: die Smartwatch von TAG Heuer etwa, das iPhone 12 Mini oder die Handwasch-Funktion der Apple Watch. Mittlerweile hat er 8250 Abonnent*innen und erhält viele positive Kommentare.
Zum Abschluss seiner Kurzarbeits-Zeit hat Tech-Journalist Zeier nun aber ein Video gedreht, das es verdient hat, weit über die Techie-Szene hinaus Beachtung zu finden: Er backt Brot – und zwar nach seinem «faulen Brotrezept», das er während der Kurzarbeit entwickelt hat. Es ist tatsächlich sehr einfach. Und das Video ist auch sehenswert für Leute, die sich nicht für Brot interessieren. Denn wie Zeier, heiter «zemm, zemm, zemm» summend, die Hefe zerbröselt, wie er mit einem «Soodela» Wasser nachschüttet, wie er plaudert und rührt und plaudert und rührt und plaudert und rührt – das wirkt auf die Zuschauerin so entspannend wie zwei Stunden Wellness. Mindestens.
Neuer Zürcher Brauch mit der Stadtpolizei?
«Mitgegangen, mitgefangen» – so lautete offensichtlich die Devise der Zürcher Stadtpolizei am 1. Mai: Reporter*innen wurden kontrolliert, weggewiesen und verzeigt. Damit müssten sie rechnen, teilte ihnen ein Tweet des offiziellen Accounts der Zürcher Stadtpolizei mit, wenn sie «sich nicht von den Demoteilnehmenden distanzieren und somit als Teil der Veranstaltung in Erscheinung treten».
Was sich wie ein Ausrutscher eines überforderten Stapo-Medienverantwortlichen las, bestätigte sich eine knappe Woche später an einer «Aussprache», zu der Stadträtin Karin Rykart und Kommandant Daniel Blumer verschiedene Organisationen**, unter anderem den Zürcher Presseverein ZPV sowie betroffene Journalist*innen, eingeladen1 hatten. In der Medienmitteilung dazu wird Blumer zitiert, der an die Adresse der Demo-Reporter*innen sagt, es gelte «die dringende Empfehlung, räumlich und sachlich eine gewisse Distanz zu halten».
Anweisungen, wie gross diese «räumliche Distanz» sein muss, gibt es keine. Ebenso wenig wird definiert, wie die «sachliche Distanz» aussehen soll. Sollen Demo-Reporter*innen künftig laut «Bösi Demonschtrante!» rufen?
Der ZPV ist nicht zufrieden mit der Aussprache. Es besteht auch wenig Grund für Optimismus. Bereits im Juli 2020 traf man sich in ähnlicher Runde zu einer Aussprache. Ohne Konsequenzen, wie der diesjährige 1. Mai zeigte.
Vielleicht kommt dafür ein neues Element ins Zürcher Brauchtum: eine jährliche «Aussprache», zwischen dem Sechseläuten im April und Knabenschiessen im Herbst. Wieso nicht jeweils am 3. Mai – dem Tag der Pressefreiheit?
**Bettina Büsser arbeitet unter anderem für die NGO Reporter ohne Grenzen Schweiz; sie war auch zu der Aussprache eingeladen, konnte aber aus Quarantänegründen nicht teilnehmen.
Zimmermann lists again
Kurt W. Zimmermann hat eine Liste gemacht. Das tut er hie und da. Schon vor vielen, vielen Jahren schrieb er in seiner «Weltwoche»-Kolumne: «Was also tut der Kolumnist, wenn die Aktualität kein Thema diktiert? In solchen Fällen gibt es (…) nur eine sichere Lösung: Man macht ein Rating. Das Rating ist das publizistische Allwetterformat. Es ist zeitlos, subjektiv und geistig anspruchslos.»
Diesmal widmet er sein Allwetterformat den «schlechtestgelaunten Journalisten der Schweiz»: Er listet zehn Journalist*innen auf (die Namen tun nichts zur Sache, der Text steht eh hinter der Paywall), beschreibt ihr Schaffen (frei nach Gefühl) und bezeichnet sie als «Griesgram», «Menetekel», «Leidensgenossin», «Miesepeter», «Bedenkenträger», «Spassbremse», «Terrier», «Apokalyptiker», «Schwarzmaler» und «Polterer».
Man mag einwenden, dass die Themen der von Zimmermann gelisteten Journalist*innen nicht unbedingt Anlass für lustige Artikel schaffen. Oder dass kurze Recherchen genügen, um herauszufinden, dass sie auch andere Themen und Tonalitäten kennen als die von Zimmermann aufgezählten.
Doch: Kann es ein, dass hinter der Liste quasi ein Hilferuf eines Pensionärs steckt, der sich wehmütig an seine Zeiten bei der lustigen «SonntagsZeitung», dem aufgestellten (aber leider verblichenen) «Facts», dem fröhlichen (aber leider verblichenen) TV3 erinnert – und der sich dann bei der «Weltwoche» wiederfindet? Wo im Editorial gezittert wird, weil die «grünen Evangelisten», die «säkularen Taliban» «alles» bedrohen, «worauf unsere Zivilisation beruht»?
Deshalb an dieser Stelle ein Aufruf zur Aufmunterungsaktion: Schenkt Zimmermann ein Lachen! Es darf auch ruhig laut sein.
Bettina Büsser
Redaktorin EDITO
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