Würdige Nachrufe für Hanspeter Guggenbühl
Am 26. Mai dieses Jahres starb Hanspeter Guggenbühl im Alter von 72 Jahren. Er war in der Waadt mit dem Velo unterwegs, als ihn ein Motorradfahrer, der überholte, frontal erfasste und tödlich verletzte.
Guggenbühl war Energie-, Umwelt-, Verkehrs- und Wirtschaftsspezialist, Buchautor und ein Urgestein des freien Journalismus: «Jede PR ist ausgeschlossen», sagte er 2012 in einem Interview mit EDITO+KLARTEXT.
Zuletzt schrieb er vor allem für den Infosperber. Die Plattform hat ihm nach seinem Tod ein ungewöhnliches und deshalb passendes Dossier gewidmet: Unter «in memoriam hpg» publizieren dort Autorinnen und Autorem Texte «mit der Vorgabe, dass Hanspeter sie gerne gelesen hätte». Und, so heisst es im Beschreibungstext zum Dossier: «‹Gerne gelesen› heisst nicht, dass er nicht widersprochen hätte – war ihm die argumentative Auseinandersetzung doch ebenso wichtig wie das Schreiben.»
Viele der Artikel weichen vom Nachruf-Muster ab, nach dem sich die Nachrufenden in mehr oder weniger eitler Art in eine Beziehung zum Verstorbenen setzen. Klimaforscher Reto Knutti etwa schrieb über die Schwierigkeiten einer Verständigung zwischen Wissenschaft und Bevölkerung, Journalist Marcel Hänggi über die Entwicklung des Autodesigns.
Der Beitrag des Journalisten Felix Schindler schlägt einen sehr speziellen Bogen zu Guggenbühls Tod: Es geht um die Berichterstattung, nicht zuletzt der Polizei, über Verkehrsunfälle. Die Berichte, so Schindlers Fazit, entstellten häufig den Sachverhalt. Während die Unfallopfer erwähnt werden, werden Unfallverursacher und -verursacherinnen häufig nicht genannt, nicht als Verantwortliche gezeigt oder passiv dargestellt, etwa, indem nur ihr Fahrzeug vorkommt. Folgt man dem Muster von Schindlers Analyse, wäre der Tod von hpg mit «Radfahrer von Motorrad angefahren» beschrieben worden.
Heftige Medienschelte von Jacqueline Badran
«Das Resultat ist keine Ohrfeige an euch, sondern an das respektlose Versagen der Medien, eine faktenbasierte ebenso relevante Debatte zu führen», schrieb die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran nach dem Scheitern der 99%-Initiative auf Twitter an die Initiantinnen und Initianten, die Juso.
«Die Medien» als Schuldige? Wir haben nachgefragt. Die Respektlosigkeit fast aller (Reichweiten-)Medien gegenüber den Juso sei bemerkenswert gewesen, schrieb Badran in ihrer sehr ausführlichen Antwort unter anderem: «Fakten wurden entweder (meist) ignoriert oder mit einer despektierlichen Tonalität gebracht (populistisch, unsorgfältig, klassenkämpferisch, ahnungslos).» Dabei sei eine Volksinitiative «Arbeit pur»; dem gebühre Respekt und Ernsthaftigkeit.
Die Berichterstattung sei fast nur negativ geprägt gewesen, die Gewichtung «jenseits», so Badran weiter: «Die Hornkuhinitiative generierte mehr Artikel als die 99%.» Dabei gehe es um eines der ganz grossen globalen Probleme, «die Verteilungsfrage, das mobile Kapital, die Konzentration der Vermögen auch bei Institutionellen, die Entmachtung der Demokratien durch das Kapital». Langsam reiche es ihr, wenn Redaktionen «absichtlich Vorlagen runterschreiben, statt sie sachlich zu beleuchten».
Uff. Aha. Ok.
Auch nach so viel geballter Medienkritik fällt es schwer, daran zu glauben, dass Medien Abstimmungsergebnisse so stark beeinflussen und mit einer anderen Berichterstattung ein «Ja» resultiert hätte. Zu hoffen bleibt einfach, dass nicht eintritt, was «Die Mitte»-Präsident Gerhard Pfister auf den Tweet antwortete: «Badran liefert damit den Gegnern des Mediengesetzes ein schönes Zitat für den Abstimmungskampf.»
Verharmloste Femizide bei blick.ch, nzz.ch und tagesanzeiger.ch
In der Schweiz geschieht etwa alle zwei Wochen ein Femizid: Eine Frau wird ermordet. Täter sind meist Ehemänner, Lebensgefährten oder Ex-Partner.
Wenn blick.ch, nzz.ch und tagesanzeiger.ch über Femizide berichten, tun sie es nicht angemessen: 2020 waren über 80 Prozent ihrer Beiträge über solche Morde verharmlosend. Zu diesem Schluss kommt Emma-Louise Steiner, Journalistin beim Online-Magazin «Das Lamm». Sie wertete für ihre Bachelorarbeit an der ZHAW die Berichterstattung der drei Medien zum Thema – 103 Artikel – mittels qualitativer Inhaltsanalyse aus.
Untersucht hat sie etwa, wie Opfer, Täter und Tat dargestellt werden. In rund der Hälfte der Artikel fand sie Victim-Blaming-Elemente, also Aussagen, die dem Opfer eine Mitschuld am eigenen Tod zuschreiben. Zum Beispiel, weil es zwischen Täter und Opfer Streit gab, sich das Opfer vom Täter trennen wollte oder weil es frühere Gewalt des Täters nicht angezeigt hatte. «In weniger als einem Viertel der Beiträge wird deutlich, dass die Täterschaft die alleinige Verantwortung für den Femizid trägt», so Steiner.
Bisher gibt es in der Schweiz noch keine Studie zum Thema. Steiner würde weitere Forschung begrüssen. «Es ist sehr wichtig, dass man darüber spricht, denn die Medien haben eine grosse Verantwortung», sagt sie, «Ich möchte nie mehr von einem ‹ Beziehungsdrama› lesen. Denn mit solchen Formulierungen werden Femizide als tragische Einzelfälle dargestellt – und nicht als das gesellschaftliche Problem, das sie sind.»
Journalistinnen und Journalisten, die es besser machen wollen, finden Tipps für die Berichterstattung bei «Stop Femizid».
Bettina Büsser
Redaktorin EDITO
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