Askforce: Ein Gastspiel für die Kult-Kolumne
«Wir sind relativ abschaffungsresistent», sagt Marc Lettau. Tatsächlich werden seit knapp 22 Jahren in der Kolumne Askforce wöchentlich von einem Expert*innen-Team, zu dem Lettau seit Beginn gehört, grosse und kleine Fragen beantwortet. Fragen wie: «Die Initiative ‹Ehe für alle› ist angenommen worden. Müssen jetzt alle Ledigen und Entledigten heiraten?», «Kann man an einem Schleudersitz sägen?», «Wie kommt der Wurm in den Apfel?».
2000 erschien die erste Askforce-Kolumne im Berner Bund, aber bereits 2005 wollte man die Rubrik einstellen, da sie «ihren Zenit überschritten hat». Denkste. Die Antworten des Teams – mal etwas schnoddrig, oft verspielt, manchmal scharf an der Frage vorbei – blieben bei den Bund-Leser*innen beliebt. Sie fragten immer weiter.
Im Frühling 2021 entschied sich das Askforce-Team, sich «in die Unabhängigkeit zu entlassen», wie Lettau sagt. Denn die Fusion von Bund und Berner Zeitung stand bevor: «Wenn man zwei Titel zusammenführt, muss alles für beide taugen. Es war absehbar, dass gewisse Gefässe die Zusammenführung nicht überleben.»
Die Leser*innen jedoch fragten weiter. Also kam im Herbst 2021 das Buch «Askforce – Fachinstanz für alles» heraus. Und im Januar 2022 nahm die Askforce ihre Dienstleistung online wieder auf.
Ab dem 12. September bis Ende Jahr gastiert sie nun zusätzlich bei der Berner Hauptstadt. Vorübergehend kommt also zusammen, was irgendwie zusammengehört: Hauptstadt und Askforce sind beide «Nebenprodukte» der Bund-BZ-Fusion. Spin-offs, quasi.
Migros: Ein «Leckerli» für die Medien
«Die Migros hat’s» ist zwar ein alter Werbespruch aus den 1980er Jahren. Doch die Migros hat’s – immer noch drauf. Da verschickt sie eine Einladung zu einer Pressekonferenz, und schon springen reihenweise Medien brav übers Stöckchen.
Gut, das «Leckerli» für die Veranstaltung roch auch verlockend: In der Einladung stand nämlich, Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen werde am Dienstag, den 6. September, «die grösste Produktinnovation in der Unternehmensgeschichte» vorstellen.
Man kann abwarten, bis Zumbrunnen seine Innovation präsentiert. Oder schon mal ankündigen, dass die Migros etwas angekündigt hat. Oder ankündigen und gleichzeitig über die Innovation spekulieren. Die CH-Media-Redaktion zum Beispiel fand Hinweise auf ein neues Kaffeesystem, 20 Minuten, Blick und andere zogen nach, während die Handelszeitung etwa Solarpaneels ins Spiel brachte. Und gleich noch ihre Abonnent*innen abstimmen liess: «Was soll Migros als ‹grösste Produktinnovation›» ihrer Geschichte bringen»?
Migros. Migros. Migros. Ein schöner PR-Coup. Er wurde zwar nicht ganz so gross wie die Abstimmung über den Alkoholverkauf im Frühsommer. Sie hat laut Watson so viele Medienbeiträge generiert, dass diese, hätte man sie «bei Watson als bezahlte Promo-Beiträge eingekauft», knapp 24 Millionen Franken gekostet hätten.
Mit dieser Ersparnis im PR-Budget kann man sich eine grosse Innovation leisten. Und bis zu deren Bekanntgabe wurde weiter spekuliert. «Schliesslich will jedes Medium und jede Journalistin den allfälligen Innovationscoup möglichst vor Zumbrunnen verbreiten», so die Handelszeitung.
Das ist doch Journalismus: Rausfinden, was schon feststeht und in Kürze bekanntgegeben wird – aber zuerst.
Die Migros freut’s.
Winnetou: Ein Shitstorm von Bilds Gnaden
«Rettet Winnetou», flehte die Ostschweiz. Darum verkauft buch-schweiz.ch, das wie das Online-Magazin zur Ostschweizer Medien AG gehört, die Winnetou-Reihe mit Rabatt: «Jede Bestellung der Bücher von Karl May setzt ein Zeichen gegen Selbstzensur und ausufernden Aktivismus im Namen des Zeitgeists.». Clevere Verkaufsstrategie.
Auch viele andere Schweizer Medien haben sich für Winnetou ins Zeug gelegt. Führend dabei war der Blick, mit einer Reihe von Artikeln, oft unter dem Stichwort «Woke-Wahnsinn» und mitsamt Video-Kommentar des Chefredaktors.
Grund für die Aufregung: Der Ravensburger-Verlag hatte zwei Begleitbücher zum Kinderfilm «Der junge Häuptling Winnetou» angekündigt, sich dann aber nach Kritik entschieden, sie doch nicht herauszubringen.
Der eigentliche Grund aber war die deutsche Bild-Zeitung. Das zeigt eine interessante Datenanalyse des Content-Marketing-Spezialisten Scompler. Weder die Lancierung des Films noch die Ankündigung der Bücher hat laut den Daten im Netz zu grosser Aufregung geführt– kein Shitstorm also. Relativ ruhig blieb es vorerst auch, als der Verlag den Rückzug bekanntgab.
Erst als Bild das Thema aufnahm, es intensivst bewirtschaftete und unter anderem behauptete, die ARD habe die Winnetou-Filme aus dem Programm genommen – obwohl diese bereits seit 2020 keine Lizenz mehr dafür hat, weil die Rechte beim ZDF liegen -, wurde es laut, hitzig, shitstormig.
Die Ausläufer trafen auch in der Schweiz ein. Und der Print-Blick titelte «SRF und ARD gehen vor militanter Minderheit in die Knie». Dabei hat SRF die Filme ebenfalls seit Jahren nicht mehr lizenziert.
Die Filme wurden übrigens letztmals am Karsamstag 2018 ab 13.05 Uhr auf SRF gespielt. Kein Sendeplatz, auf den Blockbuster gezeigt werden. Soviel zur Nachfrage nach Winnetou.
Bettina Büsser
Redaktorin EDITO
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