Sie sind Medienschaffende und recherchieren für eine öffentliche Online-Plattform die Interessenbindungen der Schweizer Parlamentarier und Parlamentarierinnen. Sie fragen auch nach, was deren "Gäste" im Bundeshaus genau wollen. Weshalb tun sie das?
Es geht um Transparenz: Der im Juni dieses Jahres gegründete Verein Lobbywatch Schweiz recherchiert die Interessenbindungen der National- und Ständeräte – auch diejenigen, die diese bisher nicht bekanntgegeben haben. Zudem geht Lobbywatch den Funktionen und Tätigkeiten der "Gäste" der Parlamentarierinnen und Parlamentarier nach. All diese Informationen werden dann auf der Plattform lobbywatch.ch öffentlich gemacht.
Im Vereinsvorstand und der Redaktion von lobbywatch.ch finden sich – neben den für die Datenbank zuständigen Informatikern – ausschliesslich Journalistinnen und Journalisten. Warum ist diese Transparenz-Plattform eine Aufgabe von Medienschaffenden? "Wir hatten lange Zeit das Gefühl, es sei Sache des Parlaments, für mehr Transparenz bei den Interessenbindungen von Parlamentariern und jenen, die von Parlamentariern eine Zutrittsberechtigung zum Parlament erhalten, zu sorgen. Doch es geschah nichts in diese Richtung", sagt Thomas Angeli, Co-Präsident lobbywatch.ch und "Beobachter"-Redaktor. FDP-Nationalrat Andrea Caroni habe zwar 2012 eine parlamentarische Initiative eingereicht, die "klare Spielregeln und Transparenz" bei der Interessenvertretung im Parlament gefordert habe: "Doch sie wurde abgelehnt: Es herrscht im National- und Ständerat kein Wille zur Transparenz. Da zeigt sich ja auch darin, wie lange es gedauert hat, bis der Ständerat ein elektronisches Abstimmungssystem eingeführt hat."
"Transparenz" im Bundeshaus-Kämmerchen
Einen winzigen Fortschritt im Bereich Transparenz hat Angeli festgestellt: Die Liste der Zutrittsberechtigten mit Gästepass – jeder Parlamentarier, jede Parlamentarierin kann zwei Personen damit Zugang zum Bundeshaus verschaffen – war bis 2011 ausschliesslich in einem Büro im Bundeshaus einsehbar: "Man durfte sie abtippen, aber nicht kopieren, obwohl es einen Kopierer im Raum hatte. Immerhin ist sie nun als pdf erhältlich."
Das Parlament setzt sich also kaum für Transparenz ein. Doch weshalb tun es nicht Vertreter der sogenannten "Zivilgesellschaft"? "Es ist ein grosser Aufwand, und offenbar ist niemand sonst bereit, diesen Aufwand zu betreiben", so Angeli: "Wenn man es seriös machen will, muss man journalistisch recherchieren." Ausgangspunkt ist dabei das "Register der Interessenbindungen" von National- und Ständerat: "Wir klären ab, etwa mithilfe des Handelsregisters und auch der Homepages der Parlamentarier, ob dort alle Interessenbindungen angegeben sind. Danach suchen wir mit einer spezialisierten Google-Suche weiter." Und zwar auch nach informellen Gruppen oder Ad hoc-Komitees.
"Gäste" schwer recherchierbar
Gleich gehen die Lobbywatch-Rechercheure bei denjenigen vor, denen der jeweilige Parlamentarier eine Zutrittsberechtigung verschafft hat, was, so Angeli, "manchmal extrem schwierig" ist. Ist das Material zusammengestellt, schickt es Lobbywatch den Parlamentariern und ihren Zutrittsberechtigten zur Autorisierung: "Bisher haben wir dies bei 38 Parlamentariern getan, 25 davon haben relativ schnell geantwortet. Einige haben gar nicht reagiert. Doch wir setzen im Mail, das wir ihnen senden, eine Frist. Wenn sie bis dann nicht reagieren, werden die Daten veröffentlicht."
Vom Ziel, alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier mit ihren "Gästen" durchleuchtet zu haben, ist Lobbywatch noch weit entfernt. Angeli: "Wir gehen Kommission um Kommission vor. Als erstes haben wir die Interessenbindungen und Netzwerke der Mitglieder der Kommission für Gesundheit und soziale Sicherheit (SGK) recherchiert." Eine erste Auswertung hat gezeigt, dass die 38 Mitglieder aus National- und Ständerat Verbindungen zu rund 800 Firmen, Verbänden und Organisationen pflegen. Die nächste Kommission, deren "Vernetzungen" Lobbywatch recherchiert, ist die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) – "in Hinblick auf die Energiedebatte in der nächsten Session".
Informationen teilen und weitergeben
Die Resultate der Recherchen sind auf lobbywatch.ch öffentlich einsehbar, bleiben also nicht in den Reihen der Recherchierenden. Ein Vorgehen, das Medienschaffende vielleicht erstaunen mag. Denn wer viel Zeit für eine Recherche aufwendet, will die Resultate nicht einfach weitergeben – womöglich an Konkurrenten. "Dieser Ansatz ist etwas überholt unter den Journalisten", findet Angeli. Ausserdem schalte Lobbywatch die Daten nicht sofort auf; wenn sich also daraus Geschichten ergäben, könne sie jemand aus dem Verein vorher bringen. Und: "Wir haben in der Datenbank einige Daten mehr als wir veröffentlichen. Diese können wir dann vielleicht auch für Geschichten brauchen."
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