Nadia Brügger, Literaturwissenschaftlerin, Sylke Gruhnwald, Reporterin, und Pauline Martinet, Infografikerin, betreiben die Website stopfemizid.ch. Sie haben gemeinsam diesen Text verfasst.
12. Januar, Breitenbach, Solothurn. Die Frau wurde 90 Jahre alt.
17. Januar, Gunten, Bern. Die Frau wurde 31 Jahre alt.
5. Februar, Recherswil, Solothurn. Beide Frauen überleben.
8. Februar, Basel. Die Frau wurde 39 Jahre alt.
16. Februar, Winterthur, Zürich. Die Frau wurde 32 Jahre alt.
23. Februar, Buchs, St. Gallen. Die Frau wurde 22 Jahre alt.
23. Februar, Wilchingen, Schaffhausen. Die Frau wurde 80 Jahre alt.
25. Februar, Otelfingen, Zürich. Die Frau überlebt. Sie ist 38 Jahre alt.
8. März, Breganzona, Tessin. Die Frau wurde 77 Jahre alt.
12. März, Schafisheim, Aargau. Die Frau wurde 44 Jahre alt.
15. März, Aeugst am Albis, Zürich. Die Frau wurde 77 Jahre alt.
19. März, Bussigny, Waadt. Das Alter der Frau ist nicht bekannt.
28. März, Bellinzona, Tessin. Die Frau wurde 44 Jahre alt.
17. April, Malleray, Bern. Die Frau wurde 87 Jahre alt.
22. April, Peseux, Neuenburg. Die Frau wurde 34 Jahre alt.
Femizide* sind keine Einzelfälle, sondern das Resultat von struktureller Gewalt, deren Ausgangspunkt in den patriarchalen Machtverhältnissen unserer Gesellschaft liegt. Gewalt gegen Frauen wird noch oft als Privatsache behandelt, was sich am gesellschaftlichen Umgang damit ablesen lässt: Der Begriff Femizid ist in der Schweiz noch immer kein etablierter Begriff. Und wo Definitionen und Statistiken fehlen, wird Gewalt gegen Frauen, Personen, die als Frauen gelesen werden, und Mädchen nicht sichtbar. Auf stopfemizid.ch versuchen wir, jede Tat zu dokumentieren. Wir wissen: Die Liste ist unvollständig.
Und weil Bilder wie Sprache Macht haben, bieten wir Bilder an, die auf eine direkte Darstellung von Gewalt verzichten. Dazu einen Leitfaden zur Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen und über Femizide.
Eine achtsame Berichterstattung vermeidet unter allen Umständen, Überlebende und Hinterbliebene zu retraumatisieren, potenzielle Täter anzustacheln. Damit dies gelingt, helfen folgende Denkanstösse:
► Prävention und Aufklärung sind wichtig, nicht Sympathie und Verständnis für Täter.
► Strukturelle Gewalt kontextualisieren, nochmals: Femizide sind keine Einzelfälle.
► Auf Bilder und Namen der Frauen verzichten.
► Raum für Trauer lassen: Menschen, die mit dem Opfer eng verbunden waren, haben ein Recht darauf, geschützt zu werden und trauern zu dürfen.
► Queer-feministische Forschung beachten und anwenden.
► Andere Geschichten schreiben: Keine Artikel über Gewalt an Frauen veröffentlichen, wenn sie bloss dem Clickbaiting dienen.
Die kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood schreibt von den Frauen als «Murdered Sisters», «im Plural, weil – unglücklicherweise – sie so viele sind».
Jeden Tag werden weltweit 137 Frauen getötet.
* Als Femizid bezeichnet man die Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts. (Red.)
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