Was lösen die neuen KI-Tools in den Bereichen Bild, Fotografie und Illustration aus? Viel. Nicht betroffen sind – bis jetzt – Lokal- und Newsbereich.
Von Bettina Büsser
Ende September 2022: Shutterstock, einer der Marktführer im Bereich Stock-Fotos, verbietet seinen Bildlieferanten, KI-generierte Bilder auf seine Plattform hochzuladen. Ende Oktober 2022: Shutterstock gibt bekannt, dass die Firma eine Partnerschaft mit dem Unternehmen OpenAI, das das KI-Bild-Tool DALL-E entwickelt hat, eingegangen ist. Ende Januar 2023: Shutterstock startet eigene KI-Bilderzeugungsplattform.
Der Fall Shutterstock zeigt exemplarisch, wie die Bildbranche zurzeit durch den Einsatz von KI durchgeschüttelt wird. Plötzlich können unendlich viele Bilder produziert werden. Gleichzeitig gibt es Diskussionen und Prozesse um Urheberrechte – schliesslich mussten die KI mit bestehenden Bildern gefüttert werden. Das KI-Tool von Shutterstock, so heisst es in einer Medienmitteilung des Unternehmens denn auch, sei «mit einem ethischen Ansatz» entwickelt worden und Shutterstock bezahle Lizenzgebühren für «das bei der Entwicklung der Modelle verwendete geistige Eigentum».
Was für Stockbilder gilt, gilt nicht für Newsbilder. «Im Newsbildbereich haben wir absolut keine Berührungspunkte. Die Natur der dokumentarischen Fotografie ist ja gerade, dass sie Bestehendes wiedergeben will und keinesfalls Inhalt selber generieren soll und darf», sagt Alessandro della Valle, Cheffotograf bei Keystone-SDA. Dies im Gegensatz zur Werbewelt, wo Bilder, etwa bei der Uhrenfotografie, bereits von «Scratch» gemacht würden. «Ich kann – und will – mir Ähnliches in meinem Bereich nicht vorstellen.»
«Eher bedrohlich». Und was geschieht im Bereich Illustration? Ruedi Widmer, Cartoonist und Illustrator, experimentiert seit letztem Sommer mit dem AI-Programm Midjourney: «Dabei ist mir aufgefallen, dass die Bilder eine extrem hohe gestalterische Qualität haben. Es waren bereits damals Bilder, die du gleich brauchen könntest. Das fand ich krass.» Was ihn besonders beschäftigt, ist, dass die Bild-AI «formal assoziativ» arbeitet. Er habe es bisher als seine Stärke betrachtet, dass er in seiner Arbeit Dinge miteinander in Verbindung bringe, die im ersten Moment nichts miteinander zu tun hätten: «Genau das macht nun auch diese Software. Das finde ich eher bedrohlich.»
Die kreative Klasse habe sich ja, im Gegensatz zu anderen Branchen, bis heute relativ sicher fühlen können: «Wir haben den Computer zur Unterstützung gebraucht, wurden aber nicht ersetzt.» Doch das könne sich nun ändern. Bereits jetzt werden laut Widmer für Film-Story-Boards sehr oft KI-generierte Bilder verwendet, die Werbeindustrie lasse ganze Kampagnen testweise durch KI herstellen: «Dann kann man die besten Ideen auswählen und weiterverfolgen.» Widmer kann sich KI als Hilfsmittel vorstellen. Denn nach wie vor spielt es eine Rolle, wie der Auftrag an die KI formuliert wird. «Das ist schon ein Kreativ-Prozess. Aber es ist nur noch ein kleiner Vorsprung auf das, was kommen kann.»
«Ich bin überzeugt, dass es viele Leute goutieren würden, wenn die Texte und Bilder garantiert von Menschen gemacht würden.»
Konkret sieht Widmer die Aufträge von Medien an Illustratorinnen und Illustratoren in Gefahr, die keinen grossen Lokal- oder Aktualitätsbezug haben, «grosse, thematische Bilder, Stimmungsbilder, eine Sommerillustration zum Beispiel». Zwar sähen heute Fachleute den Unterschied zwischen KI-generierten und echten Bildern noch, dennoch ist Widmer überzeugt davon, dass generierte Bilder von den Verlagshäusern eingesetzt werden: «Sie können sie ja für nichts einkaufen.»
Allerdings wäre es denkbar, dass sich Redaktionen, Medien dafür entscheiden, auf KI zu verzichten. «Ich bin überzeugt, dass es viele Leute bei ihrem Medium goutieren würden, wenn die Texte und Bilder garantiert von Menschen gemacht würden», sagt Widmer. «Neben dem Zeitungskopf stünde dann zum Beispiel ‹ohne KI›.»
Totale Überfrachtung mit Bildern. Widmer macht sich viele Gedanken zur KI. Es beschäftigt ihn, dass man nicht erklären kann, weshalb sie auf die Ideen kommt: «Es ist nicht zurückverfolgbar. Es ist einfach ein Gewächs, das aus dem Nichts kommt.» Und was bedeutet sie für die Demokratie, was löst sie politisch aus? Wie mit der Bilderflut umgehen, «diese totale Überfrachtung mit Bildern aller Art, die nun so leicht herzustellen sind»? Eigentlich, findet er, müsste die KI konsumieren, was durch die KI produziert werde: «Ein geschlossener KI-Kreislauf. Das ist der einzige Witz, der mir in diesem Zusammenhang in den Sinn kommt.»
Bettina Büsser
Redaktorin EDITO
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