Das Verhältnis des Präsidenten Donald Trump zu den liberalen Medien ist ambivalent: Einerseits beschimpft er sie als Lügenpresse, andererseits schenkt er ihnen so viel Aufmerksamkeit wie kein Präsident zuvor. Wie kommt dieser Widerspruch zustande?
Von Tomasz Kurianowicz
Kaum eine Beziehung ist angespannter als das Verhältnis zwischen Donald Trump und den liberalen Medien der USA, kaum ein Verhältnis ambivalenter. Wer genau hinschaut, stellt jedoch fest, dass es ein Verhältnis der stillen Abhängigkeit ist: Der amerikanische Präsident kann – trotz seiner öffentlich inszenierten Abneigung und dem stets wiederholten Vorwurf der «Fake News» – nicht ohne die Aufmerksamkeit von CNN, nicht ohne die Berichte der «New York Times» sein. Echte Abscheu wäre von Gleichgültigkeit geprägt, von totaler Abgewandtheit. Doch Trumps Beziehung ist das Gegenteil davon: Sie ist manisch und obsessiv und in ihrem negativen Furor ein Beweis für die Faszination gegenüber jenen Presseorganen, die der Präsident vordergründig verachtet.
Es wäre ein Fehlschluss, Trumps Hasstiraden gegenüber der Presse rational zu erklären. Und doch lohnt es sich, darüber nachzudenken, welche Motive seiner ambivalenten Medienbeziehung zugrunde liegen. Der Umgang mit seinem Kommunikationssprecher Sean Spicer und die schnelle Abwahl von Enfant terrible Anthony Scaramucci zeigen zumindest, dass der Kurs des amerikanischen Präsidenten keiner klaren Linie folgt. Auf der einen Seite ignoriert Trump die Kritiker, die ihn angreifen. Auf der anderen Seite weiss er zu reagieren, wenn der Druck zu gross wird.
Erratische Rhetorik. Es ist ein Schlingerkurs, der einmalig ist in der amerikanischen Geschichte. Darin sind sich führende Kommunikationswissenschaftler einig. James T. Hamilton von der Stanford University hat jüngst dargelegt, was Trumps Umgang mit den Medien so erstaunlich macht: Für den Wissenschaftler ist vor allem die erratische Rhetorik bemerkenswert, die Trump seit seiner Amtsübernahme kultiviert. Sie unterscheidet ihn von allen anderen amerikanischen Präsidenten in der Geschichte der Vereinigten Staaten.
Die meisten Politologen sind davon ausgegangen, dass sich Trumps Sprache nach dem Wahlsieg verändern und diplomatischer werden würde, wie dies auch bei Reagan oder Eisenhower der Fall war. Dies ist jedoch nie passiert. Im Gegenteil: Trump spricht hyperbolischer denn je, zitiert falsche Fakten, äussert widersprüchliche Statements und argumentiert rein assoziativ und aggressiv. Sein impulsiver Einsatz von Twitter ist bereits heute legendär. Genau diese Kriterien festigen sein Anti-Establishment-Image und geben seinen Wählern das Gefühl, der Präsident halte Wahlversprechen und bleibe sich treu.
In diesem Sinne sind seine Attacken auf die Presse Teil einer grösseren Logik: Während die liberale Presse sich dem faktischen Denken mehr denn je verpflichtet fühlt und sich das Aufdecken von «Fake News» auf die Fahnen schreibt (und dabei Trump mehr Aufmerksamkeit schenkt, als ihm guttut), instrumentalisiert Trump seine Attacken auf die Medien als Kampf gegen die verkrusteten Strukturen in Washington. Bei der radikalen Wählerschaft kommt dies gut an. Wenn man konservative Presseportale wie «Breitbart.com» anschaut und sich die Leser-Kommentare zu Skandalen wie der Russland-Affäre ansieht, merkt man, dass kein Argument der liberalen Medien unvoreingenommen zur Kenntnis genommen wird. Trump hält die radikale Rechte durch seine Medienattacken bei Laune. Zugleich darf er aber die gemässigte Rechte nicht verlieren. Aus dieser Einsicht rührt sein widersprüchliches Handeln.
Politisches Kalkül als oberstes Gebot. Um es auf den Punkt zu bringen: Trumps Beziehung zu den Medien ist nicht von Hass, sondern von Hass-Liebe geprägt. Das zeigt sich auch an weiteren Stellen: Obwohl Trump dieses Jahr das Korrespondenten-Dinner abgesagt und Pressebriefings spürbar reduziert hat, ruft er gelegentlich bei prominenten Journalisten an – wie etwa bei Robert Costa von der «Washington Post» oder bei Maggie Haberman von der «New York Times» –, um exklusive Informationen zu teilen und eine positive Berichterstattung anzuregen. Politisches Kalkül ist ihm wichtiger als jede Art von Abneigung, Ideologie oder Parteiendenken.
Trump hält die radikale Rechte durch seine Medienattacken bei Laune.
Am Ende bleibt als Erklärung für Trumps Janusköpfigkeit nur Psychologie. Viel spricht dafür, dass sich Trump ein Fünkchen Anerkennung erhofft – ausgerechnet von der Elite, die er so verabscheut, zu der er aber soziologisch betrachtet gehört. Die Aufmerksamkeit, die ihm durch die «New York Times» zuteil wird, so negativ sie auch sein mag, scheint dem Narzissten noch mehr zu schmeicheln als jede Art von wohlwollender Berichterstattung auf den konservativen Kanälen. Frei nach dem Motto: «There is no such thing as bad publicity.»
Eine Form von Hass-Liebe zeichnet sich übrigens auch auf der anderen Seite ab: bei den liberalen Medien. Sie ahnen, dass sie, zumindest ökonomisch betrachtet, von Trumps Präsidentschaft profitieren. Die Auflagen steigen, die Klickzahlen ebenfalls. Viele liberale Berichterstatter wissen nur zu genau: Präsident Trumps Umgang mit den Medien ist besorgniserregend. Doch es ginge immer noch eine Stufe schlimmer: wenn Trump die liberalen Medien gänzlich ignorieren oder gar bekämpfen würde – wie es etwa Erdogan in der Türkei oder Putin in Russland tut. Erst dann würden die Vereinigten Staaten jenem Bild gerecht werden, das liberale Kommentatoren bei Gelegenheit zeichnen: das Bild einer waschechten Autokratie.
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