Wo veröffentlicht man heute einen "Offenen Brief"? Natürlich auf Facebook. Dort findet sich seit dem 22. Juli ein solcher Brief; er ist an Michael Ringier gerichtet und stammt, so heisst es darin, von "engagierten Bürgern, die sich Sorgen machen um die Zukunft unseres Landes". Sorgen machen sie sich, weil im "Blick" ein Artikel mit der Headline "Asylbewerber gehören nicht in eine Villa!" erschienen ist, der den Eindruck erwecke, dass "Asylbewerber in purem Luxus schwelgen können. In Wahrheit handelt es sich um ein altes 6.5 Zimmer Haus in dem 15 Asylanten untergebracht werden sollen." Artikel Nummer zwei, der im Brief erwähnt wird, lief unter dem Titel "‚Einwanderung‘ in die Sozialwerke 31 Millionen für arbeitslose Ausländer" – hier stören sich die "engagierten Bürger", dass von "Einwanderung in die Sozialwerke" gesprochen wird, dabei "beziehen Menschen Leistungen aus einer Versicherung, für die diese Beiträge zahlen".
"Diese beiden Artikel sind exemplarisch für viele weitere, in denen Stimmung gemacht wird gegen Gruppen unserer Gesellschaft", steht weiter im Brief, und dass sich Michael Ringier doch die Zeit nehmen solle, die Leserkommentare zu lesen: "Ein Massenblatt wie der Blick schafft dadurch eine Plattform für Xenophobie. Wir sind überzeugt, dass viele Leser ihre Meinung und ihren Rassismus durch den ‚Blick‘ bestätigt sehen."
"Lieber Michael Ringier, aus persönlichen Begegnungen und Interviews wissen wir, dass Sie Ihre verlegerische Aufgabe nie nur darin gesehen haben, wirtschaftlich erfolgreich zu sein", heisst es weiter und: "Bitte stellen Sie sich der Verantwortung, die sich aus der Bedeutung Ihres Unternehmens ergibt."
Neben Likes haben die Briefschreibenden auch noch ein anderes Feedback erhalten: René Lüchinger, "Blick"-Chefredaktor, hat sich, ebenfalls in Briefform, zu Wort gemeldet und erlaubt, dass der Brief auf Facebook gestellt wird. Er schreibt, dass er mit den Briefschreibern "absolut" einig sei, "dass es nicht Aufgabe des BLICK sein kann, Volksverhetzung zu betreiben oder gar zum Rassismus aufzurufen". In beiden Fällen aber – so lassen sich seine Ausführungen kurz zusammenfassen – sei dies auch nicht der Fall gewesen: "Eine Volksverhetzung, wie Sie insinuieren, kann ich bei dieser Berichterstattung nicht erkennen."
Der ganze "Briefwechsel" findet sich hier
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