«Brief an …» – 16.10.2019

Sehr geehrte Frau Sommaruga

Das ging aber zügig! Im Mai haben Sie Vertreterinnen und Vertreter der Medienbranche empfangen, um sich über deren Situation zu informieren. Man mag sich gar nicht vorstellen, welche ergreifenden Szenen sich dann abgespielt haben müssen – auf jeden Fall haben Sie unverzüglich reagiert und bereits Ende August mit dem Bundesrat ein Massnahmenpaket zusammengestellt: Online-Medien mit Bezahlangeboten sollen 50 Millionen Franken erhalten, die Postverteilung der Zeitungen soll zu den bereits heute ausgezahlten 30 Millionen Franken zusätzlich mit 20 Millionen subventioniert werden. 70 Millionen Franken Medienförderung zusätzlich: Das ist grosszügig!

Ohne Verzug hat sich darauf der Verband Schweizer Medien (VSM) gemeldet. In seiner ersten Stellungnahme zog er es vor, sich nicht zu den Subventionen für Online-Medien zu äussern – obwohl wohl alle VSM-Mitglieder neben ihren Print-Produkten auch einen Online-Auftritt haben. Aber wahrscheinlich ziehen sie punkto Paywall nicht an einem Strick. Und, vor allem: Direkte Medienförderung ist vielen suspekt, sie geben der indirekten Förderung den Vorzug. Denn dann kann man ja so tun, als sei es keine staatliche Subventionierung – als werde eher die Post gefördert als die Zeitungen. Was allerdings nicht bedeutet, dass sie im Falle eines Falles direkte Zahlungen ablehnen würden. Das haben viele von ihnen, die auch Privat-Radios und -TVs betreiben, bereits bewiesen.

Wie auch immer: Der VSM verlangte in Sachen Posttaxenverbilligung sogleich eine Zugabe. Nicht 50, sondern 120 Millionen soll der Staat in diese indirekte Medienförderung der Zeitungen investieren, zuzüglich einer Subventionierung der Frühzustellung. Ob da ein Stückchen vom Kuchen für die Zeitungsverträgerinnen und –verträger mitgemeint ist? Wenn Sie dies dem VSM nahelegen könnten, sehr geehrte Frau ­Sommaruga, fänden wir das vorzüglich. Genauso wie ­Investitionen in den Journalismus, die wirklich den Redaktionen zugute kommen. Und Zugeständnisse in Sachen Gesamtarbeitsvertrag.

Ihr Massnahmenpaket, sehr geehrte Frau Sommaruga, hat mehrheitlich positive Reaktionen nach sich gezogen. Wenn ­es dann um die Details geht – Wer kommt zum Zug? Wer hat wie viel zugut? – wird es wohl etwas weniger nett zugehen. Und natürlich gibt es bereits erste Stimmen, die den Journalismus künftig geknechtet und am Staatstropf sehen. Roger Köppel etwa – zurzeit im Dauerwahlkampf und deshalb immer unter Zugzwang – twitterte sogleich los: «SP-Sommaruga kauft die Journalisten, um sie noch staatsgläubiger und abhängiger zu machen.» Allerdings darf er sich in jeder Weltwoche-Nummer über eine Anzeigenseite von der EMS (CEO: Magdalena Martullo Blocher) mit einem Kreuzworträtsel freuen.

Freundlich und mit vorzüglicher Hochachtung grüsst
EDITO

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