Was ist passiert, dass es zum Bruch zwischen dem Verlegerverband und Ringier gekommen ist? Wie ist der Streit abgelaufen? Und welche Folgen sind absehbar? Von Philipp Cueni
Die Sache. Die neue Kooperation zwischen Ringier und zwei Medienunternehmen aus dem öffentlichen Sektor, SRG und Swisscom, strebt eine gemeinsame Vermarktung der Werbung an und will mit einer Auswertung von Kundendaten auch innovative Werbeformen entwickeln. Ziel sei es, in der Schweiz gegen die grossen ausländischen Konkurrenten, vor allem Google, einigermassen bestehen zu können. Verlage wie Tamedia und NZZ hatten in einer ersten Stellungnahme gelassen reagiert: Sie würde andere Strategien bei der Vermarktung der Werbung verfolgen. In der Branche werden die Erfolgsaussichten dieser neuen Plattform unterschiedlich beurteilt: der Fachmann Karl Lüönd setzt in der "Werbewoche" Fragezeichen.
Die Konkurrenz. Die grossen Verlagshäuser gehör(t)en zwar zum gleichen Verband, sind aber auch Konkurrenten. "Kooperation" war das strategische Zauberwort der letzten zwei Jahre. Im Vermarktungsbereich gibt es lediglich einige wenige Kooperationen zwischen Verlagsunternehmen, so zwischen Ringier und Tamedia. Jetzt, in Zeiten der Konvergenz und weil die Auswertung von Kundendaten immer wichtiger wird, ist eine Kooperation wie jene von Ringier mit der führenden TV-Gesellschaft und dem führenden Telecom-Anbieter strategisch von hoher Bedeutung. Trotz "cooler" Reaktionen ist dennoch zu vermuten, dass die Konkurrenten über den Schritt von Ringier "not amused" sind.
Der Verlegerverband. Erst seit drei Jahren engagiert sich Ringier mit CEO Marc Walder wieder im Vorstand des Verlegerverbandes. Seither traten die grossen privaten Medienhäuser offensiver in breiter Front auf. Dennoch gibt es auch Anzeichen, dass Ringier mit der Politik des Verbandes nicht wirklich warm geworden ist: Sie ist zu sehr geprägt von Abwehr gegen Aussen, hat wenig Dynamik, zeigt wenig kreative Strategie zur Frage, wie die Strukturkrise der Branche zu bewältigen ist.
Die SRG-Frage. Die Verleger haben in letzter Zeit ihre Strukturprobleme zunehmend mit einer Anti-SRG-Politik anzugehen versucht: Die SRG müsse zurückgebunden werden, weil sie den Markt verzerre. Vor allem verlangten die Verleger ein Werbeverbot und publizistische Einschränkungen für die SRG im Internet. Das war die Hauptmessage am Verlegerkongress vor einem Jahr – prominent vertreten auch vom Vorstandsmitglied Marc Walder. Die Anti-SRG-Politik der Verleger, entscheidend geprägt und in der NZZ prominent formuliert von Vizepräsident Pietro Supino, wurde aber immer dezidierter und die Liste der Forderungen, wo die SRG einzuschränken sei, immer umfassender. Es gibt Hinweise, dass Ringier mit diesem Kurs nicht einverstanden war. Stimmen aus dem Verlegerverband behaupten hingegen, Walder habe den harten Kurs gegen die SRG sogar geprägt. Jetzt hat die Verlegerorganisation die neue Kooperation von Ringier ausgerechnet mit der SRG politisch wie einen Rückenschuss wahrgenommen.
Eine zentrale Differenz zwischen Ringier und dem Verband war zuletzt die Forderung der Vorstandsmehrheit, ein generelles Werbeverbot für die SRG zu fordern. Ringier beurteilte diese Position als falsch. Stimmen von Verbandsseite sagen, das habe Walder bis kürzlich immer mitgetragen und sei gar keine neue Position der Verleger. Dafür finden sich allerdings keine Belege. Zur Sache selbst: Auch anderen Exponenten der privaten Medienszene und der Werbebranche teilen die Meinung von Ringier, ein absolutes Werbeverbot für die SRG sei falsch.
Der Streit. Ringier hat mit seiner SRG/Swisscom-Kooperation die anderen Verlagshäuser und den Verband überrascht. An der Klausursitzung des Verleger-Präsidiums am Tage nach Bekanntwerden der Ringier-Kooperation muss es dann massiv gekracht haben. Gemäss Insiderinfos kritisierte der Vorstand unter dem Lead von Vizepräsident Pietro Supino (Tamedia) Ringier scharf. Wie rauh der Ton dabei war und wie dominant die Rolle von Supino – darüber gehen die Schilderungen auseinander. Beschwichtigungsversuche von Präsident Hanspeter Lebrument scheiterten. Marc Walder soll dann die Sitzung vorzeitig verlassen haben, nachdem der Vorstand gewünscht hatte, ohne ihn diskutieren zu können. Die Diskussionen im Vorstand dauerten sehr lange – auch jene ohne Walder. Unklar ist, ob das davon zeugt, dass sich der Restvorstand untereinander auch nicht einig war. Die Beschlüsse seien allerdings (ohne Walder) einstimmig gefasst worden.
Der Verlegervorstand fasste dann ohne Marc Walder zwei Beschlüsse: Marc Walder werde das Präsidium des Verlagsdepartementes "Elektronische Medien" entzogen; und der Verband fordere ein generelles Werbeverbot für die SRG – gemäss Beobachtung von EDITO erstmals öffentlich so formuliert. Diese Beschlüsse wurden Ringier mitgeteilt, bevor sie öffentlich kommuniziert werden sollten. Bei beiden Beschlüssen konnte man davon ausgehen, dass sie Ringier nicht billigen würde. Eine bewusste Provokation? Wie auch immer – Ringier ist darauf aus dem Verband ausgetreten, auch in der Romandie. Inzwischen haben auch alle Ringier-Delegierten im Verband die Ämter niedergelegt.
Die Folgen. Ohne Ringier gibt sich der Verlegerverband geschlossen, trotzdem steht er nach dem Austritt des grössten Medienhauses geschwächt da. Deshalb wird vermutlich das Verhältnis des Verbandes gegenüber der SRG kurzfristig nicht gemässigter werden. Andererseits sieht sich die SRG keiner geschlossenen Verlegerfront mehr gegenüber.
Der Chefredaktor der NZZ am Sonntag interpretiert die Veränderungen in der Verlegerszene als grundlegenden Abschied vom bisherigen Mediensystem. Und folgert: "Das Ergebnis dieser Entwicklung ist eine quantitative und qualitative Ausdünnung der publizistischen Inhalte, die in diesem Land erarbeitet werden. Weil es schwierig geworden ist, mit Journalismus Geld zu verdienen, suchen die grossen Medienhäuser ihr Heil zunehmend in angrenzenden Geschäftsfeldern."
In einem Jahr endet im Verlegerverband die Amtszeit von Präsident Hanspeter Lebrument. Jetzt steht der Verband vor einem Berg von Problemen und Scherben: Die Einigkeit verloren, das Verhältnis zur SRG gestört, gegenüber Google ein Schlingerkurs, Tamedia zunehmend grösser und dominanter, das GAV-Problem mit den Journalistengewerkschaften ungelöst. Und offen ist, ob der Verband einen Präsidenten finden wird, welcher intern breit akzeptiert ist und eine neue Dynamik entwickeln kann, welche nicht nur auf Abgrenzung setzt.
Was die neu eingeleitete Kooperation des Trios "SRG/Swisscom/Ringier für die Partner selbst bringen und in der Branche generell auslösen wird, ist noch offen. Und offen ist auch, ob es den anderen Verlagshäusern gelingen wird, sich mit neuen Kooperationen zu stärken.
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