Der Ständerat hat sich in der Wintersession mit dem Thema geleakte Daten befasst: Er lehnte eine Motion ab, die die Recherchefreiheit verbessert hätte, und bejahte dafür ein Postulat mit Potential für massive Einschränkungen. Keine guten News für den investigativen Journalismus.
Seit der Publikation der «Suisse Secrets» 2022 war klar: Bei der Revision des Bankengesetzes 2015 war, aus Sicht des Journalismus, etwas schiefgelaufen. Die «Suisse Secrets»-Recherchen eines internationalen Konsortiums von Investigativ-Journalistinnen und -Journalisten basierten auf geleakten Daten der Crédit Suisse und hatten gezeigt: Es gab geheime Konten von Kriminellen, Korrupten und Potentaten. Obwohl die CS eine Schweizer Bank war, waren an der Recherche keine Schweizer Journalistinnen und Journalisten beteiligt. Denn ihnen drohen nach Artikel 47 des revidierten Bankengesetzes eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe, wenn sie geleakte Bankdaten veröffentlichen. Neu machen sich nämlich seit der Gesetzesrevision nicht nur Bank-Angestellte, sondern alle, die geleakte Bankdaten weitergeben, potentiell der der Verletzung des Bankgeheimnisses schuldig. Also auch Journalistinnen und Journalisten.
So gaben denn nicht nur die «Suisse Secrets», sondern auch die Schweizer Gesetzgebung zu reden – national und international. Sogar die UNO-Berichterstatterin für Meinungsäusserungsfreiheit, Irene Khan, zeigte sich besorgt über den Schweizer Umgang mit der Informationsfreiheit im Zusammenhang mit Bankdaten. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) reagierte schliesslich mit einer Motion. Diese forderte den Bundesrat auf, zu prüfen, ob «die aktuelle Gesetzgebung geändert werden soll, um die Pressefreiheit in Finanzplatzfragen zu gewährleisten». Der Bundesrat zeigte sich im Februar 2023 bereit, eine entsprechende Prüfung vorzunehmen und bei Handlungsbedarf eine entsprechende Vorlage zu erarbeiten, der Nationalrat stimmte der Motion zu.
Doch nun kam die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats (WAK-S) ins Spiel. Sie beantragte nicht nur, dass der Ständerat die Motion ablehne – was er denn auch prompt tat –, sondern lancierte ein «Kommissionspostulat», das die «Handhabung der weiteren Verwendung illegal erworbener Daten» regulieren solle. Ziel: Die Diskussion rund um die Problematik der Strafbarkeit der Veröffentlichung illegal erworbener Daten soll ausgeweitet werden, «bevor allenfalls spezifische Bestimmungen für den Finanzsektor erlassen werden». Der Bundesrat solle prüfen, ob allgemein die Veröffentlichung von rechtswidrig erhobenen Daten unter Strafe gestellt werden solle.
Obwohl der Bundesrat die Ablehnung des Kommissionspostulats empfohlen hatte, stimmte ihm am 20. Dezember der Ständerat mit 28 Ja- gegen 12 Nein-Stimmen bei 2 Enthaltungen zu. Der Bundesrat wird nun den verlangten Bericht erstellen müssen und, so der Auftrag der Ständeratsmehrheit, eben auch prüfen, ob sich strafbar macht, wer geleakte Daten veröffentlicht. Daten, wie zum Beispiel Informationen, die von Whistleblowern stammen, geleakte Gehaltlisten, die unfaire Löhne belegen, Mails, die Fehlverhalten in einer Firma oder einer Verwaltung zeigen. Alles «illegal erworbene» Daten, wenn nicht der «Dateninhaber» der Veröffentlichung zugestimmt hat. Journalistinnen und Journalisten würden sich – wenn die allgemeine Strafbarkeit eingeführt würde – mit einer Publikation also möglicherweise strafbar machen.
Vor den Entscheidungen des Ständerats hatte Investigativ.ch einen offenen Brief mit dem Titel «Kein Maulkorb für den Investigativjournalismus!» lanciert. Er wurde von 14 Journalismus-Organisationen unterzeichnet*, darunter Syndicom und Impressum. Der Ständerat wurde aufgefordert, die Motion für die Anpassung des Bankengesetzes anzunehmen und das Kommissionspostulat der WAK-S abzulehnen. Der Rat tat genau das Gegenteil.
Kein Ohr also für die Anliegen von Journalismus-Organisationen. Anscheinend ist eine Mehrheit der Ständerätinnen und Ständeräte dem investigativen Journalismus – oder vielleicht sogar den Journalistinnen und Journalisten überhaupt – nicht besonders zugeneigt. Das lassen auch Beiträge der Luzerner Mitte-Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger auf X vermuten. Es gehe nicht um eine Strafe, «sondern lediglich um einen Prüfbericht», twitterte sie nach der Annahme des Kommissionspostulats. Dann, als sie gefragt wurde, was denn geprüft werden müsse, schrieb sie: «… ob auch ein gewisser Persönlichkeitsschutz gewährleistet werden soll oder ob Journalisten, die oft Mimosen sind, wenn es um sie selber geht, sich wie Hyänen auf alles und jeden(r) stürzen dürfen.»
*Diese Organisationen und Verbände haben den offenen Brief unterzeichnet: SRG SSR, Schweizer Medien (Verband), verband medien mit zukunft, Radios Régionales Romandes, syndicom, impressum, Schweizer Syndikat Medienschaffender (ssm), lobbywatch.ch, Reporter ohne Grenzen (RSF) Schweiz, maz, Öffentlichkeitsgesetz.ch, Centre de Formation au Journalisme et aux Médias (CFJM), investigativ.ch, Schweizer Presserat
Bettina Büsser
Redaktorin EDITO
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