Jetzt ist es offiziell: René Lüchinger wird neuer "Blick"-Chefredaktor, die "Blick"-Interims-Chefredaktorin Andrea Bleicher und Rolf Cavalli, Chefredaktor blick.ch und Vorsitzender der Chefredaktoren im "Blick"–Newsroom, verlassen das Unternehmen. Und es stellt sich die Frage: Was will Ringier eigentlich mit dem "Blick"?
Früher war es einfach: "Blick" macht Boulevard, die anderen Zeitungen nicht. Das ist längst vorbei, denn Boulevard-Themen finden sich auch anderswo, nicht zuletzt im Netz. Doch ohne Boulevard ist der "Blick" gar nichts mehr; also muss er weiter darauf setzen.
Daran hat sich das Haus Ringier mit wechselnder Intensität gehalten. Immer wieder gab es leicht andere Positionierungsversuche – mit den entsprechenden Auswechslungen bei der Chefredaktion. Doch die Auflage sank. Ab 2009 kam mit Ralph Grosse-Bley wieder ein Vertreter des Heavy-Boulevard zum Zuge, im letzten Februar aber war seine Zeit vorbei. Er habe sich, so wird kolportiert, zu wenig für die Schweiz und ihre politischen Themen interessiert.
Mit Andrea Bleicher wurde dann eine Journalistin interimistische Chefredaktorin, die sowohl Boulevard wie auch die Schweiz kennt. Eine, die das Handwerk beim "Blick" gelernt hat, die "Blick"-Nachrichtenchefin und dann stellvertretende Chefredaktorin war, eine, die auch sagte, sie habe schon seit ihrer Ausbildung das Ziel gehabt, "Blick"-Chefredaktorin zu werden. Quasi ein Eigengewächs des Schweizer Boulevards. Und: Wenn Ringier sie zur Chefredaktorin gemacht hätte, wäre sie eine der wenigen Frauen gewesen, die es in der Schweiz bei einer Tageszeitung auf diese Position bringen.
Das hat für Ringier offenbar nicht ausgereicht. Auch nicht der Umstand, dass sich – eine seltene Sache im Schweizer Journalismus – zumindest ein grosser Teil der "Blick"-Ressortleiterinnen und -Leiter in einem Brief an Ringier CEO-Walder dafür eingesetzt hat, Bleicher als definitive Chefredaktorin einzusetzen. Ebensowenig die nun eingetretene Tatsache, dass mit Bleicher auch ihr Partner, Rolf Cavalli, die "Blick"-Gruppe verlässt und damit den Boulevard-Brain-Drain vergrössert.
Stattdessen wird nun René Lüchinger "Blick"-Chefredaktor. Was er in den Augen der Ringier-Verantwortlichen mit seinem Werdegang – u.a. "Facts"-Chefredaktor, "Bilanz"-Chefredaktor und "Weltwoche"-Mitarbeiter – für die Boulevard-Marke "Blick" einbringen kann, wüsste man zu gerne. Denn dann wüsste man auch, was Ringier bei diesem erneuten Positions-Schräubel-Durchgang mit dem "Blick" vorhat. Zumindest die Redaktion würde das wohl sehr interessieren.
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