SRF Fernsehen und tpc prüfen Regiesysteme, welche massiv Personal einsparen würden. Von Philipp Cueni.
Plötzlich wurden die Gerüchte im Hause SRF stärker: Die Chefs würden in Norwegen neue Regiesysteme prüfen, welche mit massiv weniger Personal funktionieren. Und in Leutschenbach traf man einen Consultant aus Deutschland, welcher offenbar die Aufgabe hatte, für das tpc Abläufe bei der Newsproduktion zu überprüfen. Das Zauber- und Schreckwort heisst "Mosart". Tatsächlich geht es dabei um ein automatisiertes Regiesystem, welches in Norwegen entwickelt worden ist und bereits in privaten und öffentlichen Fernsehstationen angewendet wird – so auch bei ARD, ZDF und BBC.
Fragt man bei SRF und tpc nach, wird noch zurückhaltend informiert. Ja, Automatisierungslösungen für Regien bei den News-Sendungen würden im Zusammenhang mit den Umstellungen auf HD 2014 geprüft. Man arbeite mit Hochdruck daran, Entscheide seien aber keine gefallen.
Hochgesteckte Ziele. Zwei Meilensteine in der Planung von SRF/tpc bestimmen das Projekt "automatisierte Regien" mit: Wegen dem bereits geplanten Umbau 2014 scheint klar, dass das Projekt koordiniert und deshalb sehr schnell realisiert werden soll. Und bekannt ist das Ziel, dass bis 2018 alle Produktionen des Hauses insgesamt um 30 Prozent günstiger realisiert werden müssen, um damit Personalumlagerungen in den Redaktionsbereich finanzieren zu können. Denn für die inhaltliche Belieferung der neuen Kanäle braucht es zusätzliche Kapazitäten. Diese Reduktion der Kosten bei der Produktion soll mit Massnahmen beim tpc wie auch bei SRF erzielt werden.
"Mosart" ist jenes Regiesystem, welches in Norwegen entwickelt wurde (siehe Hinweis auf Video unten) und bei vielen Sendern realisiert ist, welche ähnliche Formate wie SRF fahren. Es geht dabei um eine weitgehende Automatisierung der Abläufe in der Newsproduktion. Das Einsparungspotenzial ist beträchtlich: Informanten aus dem Ausland sprechen von etwa 50 Prozent Personaleinsparung bei der ARD oder von Regien in Norwegen, die mit zwei oder drei statt wie bisher mit sieben Personen arbeiten.
Grosse Auswirkungen. Natürlich hat die Implementierung solcher Regiesysteme eine völlig neue Arbeitsteilung in der Produktionskette und neue Berufsbilder zur Folge. In der "Akademie" von ARD und ZDF in Nürnberg wurden Umschulungs-Lehrgänge konzipiert. Folgende Berufsfunktionen werden vor allem betroffen sein: Regie, Bildmischung (inkl. Grafik), Audiotechnik, Videotechnik, Kamera, Produktion. Auch die journalistische Seite wird von der Umstellung massiv erfasst sein. Fachleute sagen, das Verhältnis zwischen Inhalt und Technik werde neu definiert, die beiden Bereiche würden näher zusammenrücken. Die Redaktoren müssten mehr technische Eingaben übernehmen – und trotzdem würden sie unter dem Strich entlastet werden, weil die Systeme einfacher seien.
Bei einem solchen Projekt stellen sich die Fragen nach dem Personalabbau und nach der Qualität. Klar ist, die Anforderungen werden anders und höher sein. Bei den Stellen von tpc und SRF wird es auf dem Hintergrund des anvisierten Sparziels von 30 Prozent unter dem Strich zwar vermutlich zu einer Umlagerung und nicht zu einem Abbau kommen. Aber es wäre naiv zu glauben, es würde alles ohne Entlassungen aufgefangen werden können.
Hört man sich bei Fachleuten um, die solche automatisierte Regien kennen, lauten die Bewertungen erstaunlich positiv: Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden sei hoch, die Stressbelastung tiefer als bisher, die Qualität der Resultate gut. Die Vorbereitungsarbeiten seien detaillierter und präziser, weil viele Elemente im System "gesetzt" werden müssen – damit seien die Abläufe sicherer. Allerdings betonen alle Gesprächspartner, dass gute Regiesysteme flexibel eingesetzt werden können – je nach Komplexität der Aufgabe.
Verschiedene Formen. Das reicht von einer Vollautomatisierung über Nacht bei einzelnen Sendern bis zum öffentlichen Sender NRK in Norwegen, der das System zwar eingeführt hat, die Hauptausgabe der Newssendung aber ohne Automation fährt. Und es gebe, erzählt eine Kollegin, welche auf einem solchen System arbeitet, auch die Möglichkeit, bei Unvorhergesehenem aus der Automation rauszugehen. "Automatisiert" heisse nicht immer das Gleiche. Wichtig sei, sagt ein Fachmann aus Deutschland, dass jede TV-Station ihre eigenen Bedürfnisse und ihre Philosophie genau definiert, damit das System darauf angepasst geplant werde.
Weil es noch keine offiziellen Beschlüsse gibt bei SRF und tpc, wird intern zurückhaltend informiert. Entsprechend gross ist die Verunsicherung.
HINWEIS: Der norwegische private Sender TV2 zeigt in einem Video, wie die automatisierten Regien mit dem Mosart-System funktionieren: http://www.youtube.com/watch?v=uwgADTZ1SPA
NACHTRAG: SRF und tpc haben auf Fragen von Edito +Klartext am 28. November eher zurückhaltend geantwortet. Am Erscheinungstag des Edito-Heftes (11. Dezember) haben die beiden Direktoren von SRF und tpc dann in einem Interview auf dem hausinternen Intranet ausführlicher Stellung bezogen.
3 Kommentare
#1
Es wurde das bestätigt, was schon in den Gängen herumgeboten wurde!
Es ist für ein INFORMATIONSMEDIUMSVERBREITER, was wir doch sein sollten, armselige Leistung. Wir Betroffenen wissen am wenigsten was läuft!
#2
Es wird wieder so kommen, dass irgend ein System angeschafft wird, dass auf unsere "sogenannten" Bedürfnisse umgemurckst wird. Das läuft dann mehr schlecht als recht. Jedoch wollen dann unsere Programm- Mitarbeiter weiterhin eine qualitätmässig, gleichwertige Sendung erstellen und bis zum letzten Augenblick flexibel und aktuell bleiben. Die geht jedoch mit jeder Automation nicht!
#3
Answer: change
Fernsehen zu produzieren verändert sich. Das hat es aber auch schon früher getan. Anfangs hat man Beiträge auf Filmmaterial gedreht, dann auf Videobändern und jetzt sind es Videodatein. Der Belichter von damals hat es heute auch schwer beim TV einen Job zu bekommen.
Wo Technik im Spiel ist gibt es eben einen ständigen Wandel der nicht aufzuhalten ist. Entweder stellt man sich dagegen und verliert mittelfristig zwingend oder man begrüßt es und nutzt die Chancen die sich dadurch ergeben.
Teilautomatisierte Nachrichtenproduktion ist seit einigen Jahren der Standard und wieso sollte der SRF nicht dem Standard entsprechend produzieren. Oder soll er den Belichter aus den 70iger Jahren auch aus Solidarität wieder einstellen, dann sind alle Mitarbeiter glücklich und das Unternehmen dafür ruiniert.
Ihr Kommentar
07.01.2014