Der kleine Verband Medien mit Zukunft hat bei den parlamentarischen Debatten um die Medienförderung erfolgreich einige Anliegen eingebracht. Nicht immer zur Freude der grossen Verleger.
Von Bettina Büsser
Der VMZ ist ein Verbund (…) von Menschen, die mit Herz, Seele, Mut und Tat zusammen für den Journalismus einstehen. Menschen, die auch im Sturm nicht in Panik ausbrechen und sich über die Reling werfen, sondern Ausschau nach sich lichtenden Wolken am Horizont halten wollen.» So stellt sich der Verband Medien mit Zukunft auf seiner Webseite vor.
Weit weniger pathetisch klingt Camille Roseau, bei WOZ Die Wochenzeitung für Marketing und Werbung zuständig und Co-Präsidentin des VMZ, wenn sie über den Verband spricht. Ein gewisser Stolz klingt allerdings mit. Der VMZ, gegründet im Sommer 2017, hat heute «immerhin» 27 Mitglieder: «Und ich hoffe, dass in den nächsten Jahren mehr dazukommen.»
Er sei relativ bald nach seiner Gründung vom Bund in die medienpolitischen Diskussionen eingebunden worden, so Roseau, sei bei allen medienpolitischen Vernehmlassungen und Arbeitsgruppen dabei: «Wir sorgen als Ansprechpartner für UVEK und BAKOM für die Sichtbarkeit kleinerer Verlage und Medien, die zum Grossteil auf die Finanzierung durch Leserinnen und Leser gestützt funktionierten.»
Der etwas andere «Arbeitgeberverband». Der am Anfang zitierte Text stammt übrigens vom Geschäftsführer, den der VMZ anfänglich angestellt hatte. «Wir konnten leider nur für kurze Zeit eine Stelle finanzieren», sagt Roseau, denn es handle sich um einen «Verband ohne Geld». Die Mitgliederbeiträge sind niedrig, der Mindestsatz beträgt 500 Franken pro Jahr. «Wir kommen mit wenig Geld relativ gut durch, weil wir im Vorstand ehrenamtlich arbeiten», so Roseau. Sie selbst wird von der WOZ einen Tag pro Woche für die Verbandstätigkeit bezahlt, «das ist Teil meines Pensums».
Die WOZ gehört, ebenso wie Hochparterre und Schaffhauser AZ, zu den wenigen «traditionellen» Medien in der VMZ-Mitgliederliste, die von baba news und Bajour über Higgs, Journal B, Republik bis Tsüri.ch und zentralplus reicht. Aus der Westschweiz sind etwa Bon pour la tête und Sept mit dabei. Dazu kommen, als Passivmitglieder, unter anderen impressum, Schweizer Syndikat Medienschaffender und syndicom.
Zu diesen Mitgliedern passt es, dass in Art. 6 der VMZ-Statuten nicht nur festgelegt ist, dass Aktivmitglieder «unabhängigen Journalismus» als Kernaufgabe betreiben, sondern auch, dass Aktivmitglieder, die «über Jahre hinweg hohe Gewinne bei gleichzeitigem Abbau der journalistischen Leistungen und Ressourcen» ausweisen, aus dem Verband ausgeschlossen werden können. Gleichzeitig, und das amüsiert Roseau, gilt der VMZ als Arbeitgeberverband: «So werden wir zu Branchentalks gebeten, an die Gewerkschaften oder Parteien in der Regel nicht eingeladen sind. Ich würde sagen, da haben wir das System ein bisschen gehackt.»
«Was die Förderung der Konzerne angeht: Wir sind nicht glücklich, dass sie sehr viel Geld erhalten.»
Offene Türen und Wohlwollen. Die Mehrheit der VMZ-Mitglieder sind Onlinemedien. Doch die Bezeichnung «Medien mit Zukunft» meine nicht, dass nur solche Medien Zukunft hätten, betont Roseau: «Sondern, dass von der Community getragene Nicht-Konzern-Medien eine Zukunft haben, weil das konventionelle Businessmodell nicht mehr funktioniert.»
Selbstverständlich werde im Verband über den Sinn von Posttaxenverbilligungen diskutiert. «Aber dann sage ich: Es gibt auch die Perspektive der Printmedien, die die digitale Transformation noch nicht komplett hinter sich gebracht haben.»
Alle VMZ-Mitglieder sind kleine Verlage. «Für sie gab es vorher eine Vertretungslücke», so Roseau. «Wir von der WOZ haben festgestellt, dass der Verband Schweizer Medien (VSM) kleinere, unabhängige Verlage weniger gut vertritt.» Das lasse sich etwa daran ablesen, dass es dort ein Zensus-Wahlrecht gebe: «Die grossen Mitglieder, die mehr Beiträge leisten, haben mehr Stimmen.» Deshalb, so Roseau, wäre der VMZ auch offen für regionale Verlage.
Der VMZ hat denn auch Mitglieder des Verbands Schweizer Medien zum Übertritt eingeladen, als sich Anfang Jahr im Zusammenhang mit dem Medienförderungs-Paket innerhalb des Verbands Schweizer Medien Risse zwischen grossen und kleinen Verlagshäusern zeigten. Letztere gründeten die IG Kleine und mittlere Verlage, der sich 20 Titel anschlossen.
Der VMZ wandte sich prompt an sie: Er stehe der IG mit «grossem Wohlwollen» gegenüber, «sind die Positionen doch deckungsgleich». Die Türen des VMZ stünden allen kleinen und mittleren Verlagen offen, «die sich für eine rasche Umsetzung des vorliegenden Pakets einsetzen und die ihre Interessen im alten Verlegerverband nicht mehr gewahrt sehen».
Allerdings ist niemand dieser Einladung gefolgt. Man habe im VSM tatsächlich bezüglich der Ausgestaltung der Onlineförderung «fundamentale Differenzen» gehabt, sie aber bereinigt, sagt Gilbert Bühler, CEO der Freiburger Nachrichten und Co-Gründer der IG, dazu: «Wir kleinen und mittleren Verleger engagieren uns mit der ganzen Branche im Verband Schweizer Medien.»
Ebenfalls IG-Mitglied war Martina Flurina Gammeter, Unternehmensleiterin der Gammeter Media AG, die die Engadiner Post / Posta Ladina herausgibt. Mit «Ich habe soeben zum ersten Mal vom Verband Medien mit Zukunft gehört – mein Versäumnis», reagiert sie auf die entsprechende Anfrage. «Ich schätze die Arbeit des Verbandes Schweizer Medien, und unsere Mitgliedschaft bei diesem stelle ich nicht in Frage.»
Eine Ergänzung, keine Konkurrenz. Über das Verhältnis zwischen VMZ und VSM sagt Roseau: «Wir sind sozusagen in friedlicher Koexistenz, aber wir tauschen uns aus.» Auf den VMZ angesprochen, meint Stefan Wabel, VSM-Geschäftsführer: «Der VSM versteht sich als Verband, der sich für ideale Rahmenbedingungen für die Gesamtbranche einsetzt und einen Grossteil der Unternehmen zu seinen Mitgliedern zählt. Es ist aber in der Sache der Natur, dass sich nicht ganz alle Unternehmen der Medienbranche bei uns engagieren möchten und sich in einem eigenen Verband organisieren. Das sehen wir als Ergänzung und nicht als Konkurrenz.» Es komme vor, dass sich beide Verbände gemeinsam für eine Sache engagierten, etwa gegen die drohende Einschränkung der Medienfreiheit durch eine Revision der Zivilprozessordnung.
Nicht immer einig waren sich die beiden Verbände bei der Diskussion über das Medienförderungs-Paket im Parlament. Der VMZ habe sich, so Roseau, mit Erfolg für die von den Grossverlegern zuerst bekämpfte direkte Onlineförderung eingesetzt, genauso wie für die Degression, also die überproportionale Förderung kleinerer Medienbetriebe. Erfolgreich war der VMZ ebenfalls mit dem Anliegen, dass auch Member-Modelle ohne Paywall als Leserinnenfinanzierung gelten. Und: «Wir haben uns immer wieder dagegen ausgesprochen, dass die verschiedenen Mediengattungen gegeneinander ausgespielt werden.»
Gescheitert sei man aber etwa bei der Schaffung eines Transformationsfonds und mit den Forderungen nach einem Dividendenverbot und guten Arbeitsbedingungen – also zum Beispiel einem GAV – als Voraussetzung für den Bezug von Medienförderung.
Bei der kommenden Abstimmung über das Medienförderungs-Paket werden VMZ und VSM auf derselben Seite stehen. Der VMZ hat unter dem Titel «Demokratie jetzt verteidigen» eine Kampagne lanciert. Sie wirkt auf den ersten Blick wie eine Bewegung von Einzelpersonen, doch bisher ist die Hälfte der Komitee-Mitglieder auch im VMZ organisiert. «Der Verband steckt dahinter, doch damit wir noch mehr Leute ins Komitee holen können, haben wir noch einen neuen Verein gegründet», sagt Roseau. Nun gehe es darum, mehr Unterstützerinnen und Unterstützer zu finden, Geld für Kampagnen zu suchen: «Wir wollen uns aus einer linken Perspektive für die Medienförderung einsetzen.»
Nur dieses eine Paket. Das ist nicht einfach. Denn ein schlagendes Argument gegen das Medienförderungs-Paket ist der Umstand, dass grosse und finanzkräftige Medienunternehmen wie TX Group, Ringier oder CH Media auch davon profitieren. Das Komitee will deshalb die positiven Eigenschaften des Pakets herausstreichen, die Unterstützung der Institutionen, die Onlineförderung, die Förderung der kleineren Titel.
«Was die Förderung der Konzerne angeht: Wir sind nicht glücklich, dass sie sehr viel Geld erhalten», sagt Roseau. «Aber es gibt nur dieses eine Paket. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass es zum Beispiel ein Dividendenverbot enthält. Aber du weisst ja, wie die Mehrheiten im Parlament aussehen …»
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