Regula Rytz, grüne Medienpolitikerin, will die Polarisierung zwischen den privaten Medien und der SRG aufbrechen – möglichst noch bevor der Nationalrat im Frühling über den Service-public-Bericht des Bundesrats debattiert. Was schlägt sie vor?
Von Bettina Büsser
Die Auseinandersetzung zwischen SRG und Verlegern hat sich so zugespitzt, dass selbst ein mögliches Sportdate für Aufregung sorgen kann: «Wir sollten wieder mal zusammen joggen gehen, das würde uns beiden guttun», hat am SwissMediaForum Pietro Supino, Präsident des Verbands Schweizer Medien und Tamedia-Verwaltungsratspräsident, zu SRG-Generaldirektor Roger de Weck gesagt. Und damit einige Tweets ausgelöst, schliesslich konnte man sich die beiden in letzter Zeit kaum auf derselben Laufstrecke vorstellen. Nicht weniger polarisiert sind die Lager in Sachen SRG im Parlament.
Spannungen und neue Allianzen
In diesem Parlament sitzt auch Regula Rytz, Präsidentin der Grünen, Nationalrätin und Mitglied der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen, die unter anderem für Medien, Service public und die SRG zuständig ist. Rytz will «die Polarisierung aufbrechen, die zwischen privaten Qualitätsmedien und SRG herrscht». Wie will sie das erreichen? Sie führe sehr viele Gespräche mit privaten Verlegern und mit der SRG, sagt Rytz: «Die ganze Branche weiss, dass der digitale Wandel und die Globalisierung alles verändern. Aber niemand kann genau sagen, wie die Zukunft aussehen wird. Das führt zu Spannungen, aber auch zu neuen Allianzen.»
Um die Situation zu erklären, blickt Rytz kurz zurück, auf die «klare Arbeitsteilung», die vor 60 Jahren zwischen kommerziellen Printmedien und öffentlichen elektronischen Medien mit Leistungsauftrag und Gebührenfinanzierung herrschte, und auf den «grossen Bruch», der mit dem digitalen Wandel und der Globalisierung kam: «Jetzt gibt es mit dem Internet einen neuen Medienraum, den alle gleichzeitig bespielen.»
In diesem Medienraum herrscht gemäss Rytz ein Gedränge. Einerseits müssten die SRG, die privaten elektronischen Medien und die heutigen Printmedien dort stark sein. Andererseits seien neue Akteure dazugekommen, interna-tionale und rein kommerzielle Anbieter wie Facebook oder Google und Infrastrukturanbieter wie UPC und Swisscom, die nun auch audiovisuellen Content, also Programminhalte, anbieten: «Sie konkurrenzieren die privaten wie die öffentlichen elektronischen Medien.»
Die privaten und die öffentlichen Qualitätsmedien, findet Rytz, müssten gemeinsam am runden Tisch über die Entwicklung des digitalen Raums diskutieren, denn: «Beide Seiten stehen unter dem Druck der globalen Entwicklung, und zurzeit kann niemand sagen, wie sich das Lokale und das Nationale in diesem internationalen digitalen Raum behaupten können.»
Gleichzeitig befasst sich auch die Schweizer Politik mit den Medien, in erster Linie mit der SRG – und «die Polarisierung in der Politik ist sehr gross», sagt Rytz. Die SVP habe eine klare Agenda, nämlich, dass es heute einen Player weniger – die SRG – im Medienraum brauche. Nach Ansicht der SVP könne die SRG «sozusagen subsidiär» das anbieten, was sich kommerziell nicht lohne. «Es gibt Kräfte vor allem in der SVP, zum Teil auch in der FDP, die entweder eine totale Kommerzialisierung der Medien wollen, oder starke politische Manipulationsmedien», sagt Rytz; dieser Position diametral ent-gegengesetzt sei die klassische linke Haltung, die den Service public überall bedingungslos verteidigen wolle.
«Nachhaltige Medienlandschaft»
Und dazwischen sind irgendwo die Grünen, die, so Rytz, medienpolitisch eine sehr eigenständige Position ohne Lagerdenken und Glaubenskrieg vertreten: «Wir wollen eine nachhaltige Medienlandschaft für die Schweiz, in der sich Vielfalt und Qualität für eine vielfältige demokratische Gesellschaft möglichst gut entfalten können.» Das bedeute: Auch die privaten Qualitätsmedien müssten gut überleben können.
Rytz stellt, seit die Grünen diese Position vertreten, auch in anderen Parteien mehr Bereitschaft dafür fest, eine Lösung für den Service public der SRG und die privaten Qualitätsmedien zu finden. Nach ihrer Einschätzung sehen in den bürgerlichen Parteien «bis weit in die FDP hinein» viele, wie wichtig die Service-public-Medien für die Demokratie seien und «dass sie einen Rahmen brauchen, der ihnen erlaubt, dem Verfassungsauftrag entsprechend Qualität und Vielfalt zu liefern.»
«Absolut unabdingbar» für die Demokratie seien unabhängige Medien, die die Bürgerinnen und Bürger vielfältig über politische Entscheidungen informierten, sagt Rytz, dazu komme die Mehrsprachigkeit der Schweiz, die abgedeckt werden müsse. Die Grundlage ihrer Medienpolitik ist entsprechend: Ein «umfassender Service public der SRG», die sowohl Gebühren erhalten wie auch Werbung verkaufen kann, um unabhängig zu bleiben. Basierend darauf hat Rytz Vorschläge, die sie in die Diskussion einbringt:
SRG-Mittel plafonieren: «Damit die SRG den Medienwandel bewältigen und ihre Qualität sichern kann, muss sie auch in Zukunft gleich viel Mittel zur Verfügung haben wie jetzt. Aber man kann ihre Finanzen auf dem jetzigen Stand plafonieren.»
Gebührensplitting ausdehnen: «Wenn die Haushaltsgebühr höhere Einnahmen bringt, kann man sie auf sinnvolle Art und Weise in den gesamten Medienplatz Schweiz investieren. Ziel muss sein, den umfassenden Auftrag der SRG, das Überleben unabhängiger Medienhäuser und die Qualität im Journalismus zu gewährleisten. Ich kann mir vorstellen, dass man das Gebührensplitting ausdehnt und so die privaten regionalen Sender stärkt. Allerdings geht das nur mit Leistungsauftrag, Qualitätskontrolle und Transparenz bei der Verwendung der Mittel.»
Gebühren für den vorkompetitiven Bereich: «Denkbar ist auch, aus diesen Gebührengeldern Angebote für alle Medien zu unterstützen, im vorkompetitiven Bereich. Man könnte etwa die SDA ausbauen, sie könnte auch Material von der SRG übernehmen – natürlich nicht alles und auch nicht gratis –, so käme es allen Medienhäusern zugute. Und die Förderung von Innovation und Vielfalt bleibt auf der Tagesordnung.»
SRG-Werbung einschränken: «Es wäre möglich, bei steigenden Gebühren die Werbung beim SRG-Fernsehen zeitlich einzuschränken. Aber man müsste gleichzeitig sicherstellen, dass diese Werbegelder zu den unabhängigen Schweizer Medien gehen, nicht zu RTL, ProSiebenSat1, Goldbach Media oder UPC und Netflix, denn damit wäre für den Schweizer Markt nichts gewonnen.»
Weniger Restriktionen, aber keine Werbung für SRG-Online: «Die SRG muss sich im Online-Bereich weiterentwickeln können. Dafür müssen die bisher sehr restriktiven Vorgaben gelockert werden müssen. Die Zulassung von Werbung auf SRG-Online hingegen geht auf keinen Fall. Das wäre eine enorme Konkurrenz für die Privaten, die ja, um die Ausfälle im Print-Bereich etwas zu kompensieren, gerade im Online-Bereich auf Werbung angewiesen sind, auch wenn sie vermehrt auf Bezahlmodelle setzen.»
Konzentration und Verzicht bei der SRG: «Eine gewisse Konzentration bei der SRG ist denkbar. Im Fernsehbereich in der Deutsch- und der Westschweiz braucht es zwei Vollprogramme für den umfassenden Auftrag von Bildung, Information, Kultur, Unterhaltung und Sport. Im Tessin ist ein Umbau in Richtung Online-Verbreitung bereits im Gang. Die SRG könnte zudem, als Geste, auf traditionelle Spartensender und auf das Radiosponsoring verzichten.»
Privater Service-public-Markt: Rytz hat in der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen einen Antrag eingereicht, in dem sie den Bundesrat auffordert, aufzuzeigen, wie die privaten regionalen elektronischen Medien zusätzlich gestärkt werden könnten. Es frage sich zum Beispiel, ob die Regelung, dass ein Medienhaus nur zwei Konzessionen für Privatradios und zwei Konzessionen für Privat-TV haben dürfe, aufgehoben werden müsste, sagt sie, denn «die Medienhäuser generieren heute zu wenige Werbegelder, um überleben zu können». Ausserdem stelle sich auch die Frage, ob man nicht sprachregionale TV-Sender mit Leistungsauftrag und Gebührengeld ermöglichen sollte – damit sich möglicherweise so etwas wie ein «privater Service-public-Markt» entwickeln könne.
«Admeira hat polarisiert und wurde als Kampfansage der SRG an die Privaten verstanden.»
Und dann ist da noch Admeira, das Werbeprojekt von SRG, Swisscom und Ringier. Es hat, wie Rytz feststellt, in der Medienwelt wie in der politischen Welt zu einer starken Polarisierung geführt und wurde als Kampfansage der SRG an die Privaten verstanden. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) die Beteiligung der SRG an der Werbeallianz nicht hätte gutgeheissen sollen, ohne den Verband Schweizer Medien und verschiedene Medienunternehmen dazu anzuhören. «Das wäre eine gute Gelegenheit, das ganze Projekt nochmals sorgfältig zu überdenken, allenfalls mit Blick auf eine Branchen-lösung», so Rytz: «Für die SRG ist es eine Chance, ihre ganze kommerzielle Ausrichtung zu überprüfen.»
Wille der Hauptakteure gefragt
In der Frühlingssession wird der Nationalrat den Service-public-Bericht des Bundesrats diskutieren, es wird auch Abstimmungen über verschiedene medienpolitische Vorstösse geben. Es würde, so Rytz, die Diskussion im Nationalrat «sicher stark erleichtern», wenn sich Admeira bis dann geöffnet hätte und die SRG und die privaten Verleger gemeinsame Lösungen für die Werbung und für die digitale Zukunft präsentieren könnten. Aus Rytz’ Sicht wäre das möglich, aber es brauche den Willen der Hauptakteure dazu: «Ich habe in den letzten Wochen festgestellt, dass sie sich aufeinander zubewegen.»
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